Karl Veitschegger (2002/2004)

 

Vorherbestimmt?

 

Statement aus katholischer Sicht zum Thema Prädestination. Antwort an einen besorgten Christen


 

Gott hat – so steht es im Epheserbrief des Neuen Testamentes – Menschen „vor der Erschaffung der Welt erwählt“ und „im Voraus dazu bestimmt“, heilig zu werden und zu ihm zu gelangen (vgl. Eph 1,4-6). Wenn Gott gewisse Menschen zum Guten vorherbestimmt hat, hat er dann nicht auch andere dazu prädestiniert, für immer verdammt zu werden? Einige schwierige Stellen in den Paulusbriefen wurden in diesem Sinn gedeutet. Viele religiöse Menschen, vor allem im Bereich des Calvinismus, haben sich mit diesem Gedanken abgequält. Was sagt die katholische Kirche dazu?

 

Katholische Antwort

In der Frage der Erwählung zum Heil werden in der katholischen Kirche verschiedene theologische Ansichten vertreten. Aber die Behauptung, Gott würde gewisse Menschen von vornherein für die Verdammung bestimmen, lehnt die katholische Kirche kategorisch ab (vgl. Katechismus der katholischen Kirche 1037). Sie hat in diesem Punkt auch manchen dunklen Satz des sonst so hoch verehrten Kirchenvaters Augustinus nicht akzeptiert. Katholischer Glaube ist überzeugt: Gott „will, dass alle Menschen gerettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen“ (1 Tim 2,4). Denn „Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, damit er die Welt richtet, sondern damit die Welt durch ihn gerettet wird.“ (Joh 3,17). Jesus Christus ist gekommen, „um zu suchen und zu retten, was verloren ist" (Lk 19,10), ist. Dafür hat er gelebt und dafür ist er gestorben. Sein werbender Ruf: „Kehrt um und glaubt an das Evangelium!" (Mk 1,15) wäre sinnloses Theater, wenn bestimmte Menschen sich gar nicht bekehren könnten.


Der Reformator Calvin (+ 1564) meinte: „Einige sind vorherbestimmt zum ewigen Leben, andere zur ewigen Verdammnis.“ (Institutio Christianae Religionis 3.21.5)

Deshalb lehrt die katholische Kirche, dass Gott von sich aus niemandem die Chance zur Rettung verweigert. Er bietet sie vielmehr immer wieder an. Ein schönes Beispiel dafür ist die Stadt Ninive im biblischen Buch Jona: Dieser korrupten Stadt ist das Strafgericht Gottes bereits angekündigt: „Noch vierzig Tage und Ninive ist zerstört!“ (Jona 3,4) Das klingt ziemlich endgültig und aussichtslos! Aber das Volk von Ninive lässt sich nicht entmutigen, sondern tut Buße und findet – zur Verwunderung des Propheten Jona – bei Gott Erbarmen.

 

Gott will das Heil aller

Sehr menschlich ausgedrückt: Sogar, wenn Gott „mit scharfen Geschützen auffährt", wenn er „zürnt", das Unrecht anklagt und das Gericht androht: es geht ihm dabei immer um das Heil seiner Geschöpfe. Er will zur Umkehr bewegen und „will nicht, dass jemand zugrunde geht“ (2 Petr 3,9). Wenn Menschen dennoch ihr Heil gefährden oder gar verlieren, dann aus eigener Schuld. Dann gilt: Gott wollte eure Rettung, aber „ihr habt nicht gewollt!“ (Jes 30,15; Mt 23,37). Man kann allerdings sagen: Gott weiß schon im Voraus, wie Menschen sich frei entscheiden werden. Für alle, die sich Gott endgültig zuwenden, ist ewiges Heil bestimmt. Solchen, die sich von ihm endgültig abwenden, ist Unheil bestimmt (weil es ohne Gott kein ewiges Glück geben kann). In diesem Sinn sprechen auch katholische Christen vorsichtig von „Vorherbestimmung“, aber diese „Vorherbestimmung“ bezieht immer die Freiheit des Menschen mit ein. Es bedeutet gerade nicht, dass Menschen keine andere Wahl gehabt hätten (vgl. Dtn 30,19). Meiner Großmutter verdanke ich den Spruch: „Das Böse geschieht nicht, weil Gott es vorausweiß, aber Gott weiß es voraus, weil es geschieht.“ Niemals bestimmt Gott von sich aus einen Menschen zum ewigen Unheil. „Die Gnade Gottes ist erschienen, um alle Menschen zu retten.“ (Tit 2,11)

 

Nicht grübeln, vertrauen!

Freilich sind damit nicht alle Fragen zu unserem Thema beantwortet. Das Nachdenken über Vorherwissen und Vorherbestimmung, über Gnade und Freiheit („Wenn Gott das Heil aller will, warum gibt es dann überhaupt die Möglichkeit zur Verdammnis?“), überfordert letztlich menschlichen Verstand. Es gibt eben Dinge, die uns „zu wunderbar und zu hoch sind“ (Ps 131,1). Ein verängstigtes Menschenherz wird auch durch langes Grübeln nicht zur Ruhe kommen. Befreiung von trüben Gedanken bringt nur die vertrauensvolle Hinwendung zum liebenden Gott. Mit den Aposteln und den ersten Christen dürfen wir sagen: „Wir haben unsere Hoffnung auf den lebendigen Gott gesetzt, den Retter aller Menschen, besonders der Gläubigen.“ (1 Tim 4,10 – Darauf bauen wir. Und mit der Kirche dürfen wir beten, dass niemand verloren geht (vgl. Katechismus d. kath. Kirche 1058).

 

Karl Veitschegger (2002/2004)

 

Aus dem Katechismus der katholischen Kirche

Niemand wird von Gott dazu vorherbestimmt, in die Hölle zu kommen; nur eine freiwillige Abkehr von Gott (eine Todsünde), in der man bis zum Ende verharrt, führt dazu." (1037). „Die Kirche betet darum, dass niemand verloren geht ..."(1058)

 

Zur Meditation

Ein tiefsinniges, auch provokantes Wort von Kardinal Giovanni Bona (1609–1674):

Auf dich, Herr, habe ich gehofft, ich werde in Ewigkeit nicht zu Schanden werden (vgl. Ps 25,3). Und wenn ein Engel vom Himmel mir versicherte, ich sei von deinem Angesicht weg verwiesen, so würde ich es ihm nicht glauben. Und wenn du selber, höchster Gott, mir sagtest: Ich habe dich in Ewigkeit verbannt, so wollte ich deine Worte nicht hören. Verzeih mir, Herr: in dieser Sache würde ich dir nicht glauben, denn, selbst wenn du mich tötest und in die Hölle versenkst, ich werde doch immerdar auf dich hoffen." (Via compendii ad Deum c12, decas 9; zitiert nach Hans Urs von Balthasar, Das betrachtende Gebet, Einsiedeln 41976, S.265)

 

 

Zum Artikel: Hölle – was ist das?

Artikel im Ökumenischen Heiligenlexikon: „Prädestination

 

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