Karl Veitschegger (2020)

 

Jesus und der Vatertag

Interview für Homepage der Katholischen Kirche Steiermark


 

Hätte Jesus Vatertag gefeiert?

Jesus hat an sich gern gefeiert, aber anachronistische Fragen sind schwer zu beantworten. Sicher ist: Mit den patriarchalen Strukturen seiner Zeit hatte Jesus keine Freude. Er mahnte seine Jüngerschaft ausdrücklich: „Ihr sollt niemand auf Erden euren Vater nennen; denn nur einer ist euer Vater, der im Himmel.“ (Mt 23,9). Jesus war auch kein klassischer Familienmensch. Denn familiäre Bindungen verhindern, so sagt er, nicht selten den Einsatz für das Reich Gottes, in dem es keine Herrschaft mehr von Menschen über Menschen gibt, sondern alle durch Gott Geschwister sind. Jesus nennt nur Gott „Abba“. Das ist ein aramäisches Kosewort für einen zärtlich liebenden Papa.

 

Und was ist mit dem heiligen Josef?

Der Zimmermann aus Nazaret hat nach den Erzählungen der Bibel die menschliche Vaterrolle für Jesus übernommen. Er ist kein furchteinflößender „Patriarch“. Er wird vielmehr als einfühlsamer, aufmerksamer, treusorgender Mann geschildert. Das ist vielleicht der menschliche Erfahrungshintergrund, warum Jesus später in seiner Verkündigung Gott problemlos „Vater“ nennen kann, und zwar einen liebevollen und barmherzigen Vater. Einen Vater, der Freiheit lässt, aber die „Verlorenen“ auch diskret sucht und ihnen neue Chancen eröffnet (vgl. Lk 15) Kurz: Gott Vater als „Freund des Lebens“, wie schon das Buch der Weisheit sagt (Weish 11,26).

 

Also lernte Jesus durch Josef ein „modernes“ Vaterbild?

Ja, wenn man so will. Und dieses Vaterbild passt dann auch für Gott. Jesus fordert seine Jünger und Jüngerinnen auf: „Seid barmherzig, wie es auch euer Vater ist!“ (Lk 6,36). Statt „barmherzig“ kann man auch „großzügig“ und „liebevoll“ sagen. Das ist heute besser verständlich. Dieses göttliche Vorbild gilt für alle, aber besonders für Menschen, die selbst Kinder haben oder für Kinder väterlich und mütterlich da sind.

 

Was hätte Jesus dem hl. Josef zum Vatertag geschenkt?

Ich glaube, keinen Hobel und auch keinen Griller 😊. Vielleicht hätte er ihm einfach gesagt: „Durch dein Vorbild habe ich so viel gelernt über das Leben, über das Arbeiten, über das Menschsein – und über Gott! Danke.“ Was kann man Schöneres zu seinem Vater sagen? Und vielleicht hätte er im Basar von Nazaret dann auch noch eine Kleinigkeit für ihn besorgt. Wer weiß?

 

 

Karl Veitschegger

 

 

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