Karl
Veitschegger (2019) Tiere in der Bibel Beitrag für „Tiere in der Bibel und in unseren
Kirchenräumen“ (Ausstellung im Diözesanmuseum Graz, Ausstellungskatalog 2019) „Es war sehr
gut“ Die Bibel ist ein Buch
voller Leben. Ihre 73 Einzelschriften, im Lauf von rund tausend Jahren
entstanden, bieten einen bunten und reichen Schatz an Lebens- und
Glaubenserfahrung. Schon auf der ersten Seite „beschreibt“ das Schöpfungslied
(Gen 1) in schlichter Poesie das Werden der Welt, die den Menschen als
Lebensraum umgibt: Himmel und Erde, Wasser und Land, Sonne, Mond und Sterne.
Leben entsteht, wächst und gedeiht – darunter auch Tiere, die sich im Wasser
tummeln, am Himmelsgewölbe fliegen oder auf der Erde bewegen. Die
Kernbotschaft ist klar: Alles, was existiert, verdankt sich göttlicher
Weisheit und Liebe: „Gott sah alles an,
was er gemacht hatte: Und siehe, es war sehr gut.“ (Gen 1,31) „Der Mensch
gab Namen allem Vieh …“ Schon das zweite Kapitel
der Bibel erzählt: „Der Mensch gab
Namen allem Vieh, den Vögeln des Himmels und allen Tieren des Feldes.“ (Gen
2, 20). Wer die gesamte Bibel
aufmerksam durchliest – sie wurde ursprünglich in Hebräisch, Aramäisch und
Griechisch verfasst –, begegnet rund 130 verschiedenen Tiernamen, wobei man
bei manchen hebräischen Ausdrücken nicht mehr sicher sagen kann, welches Tier
damit gemeint ist. Es gibt Unterschiede in den Übersetzungen und Deutungen.
Der sagenhafte „große Fisch“ des Propheten Jona wird z. B. in der späteren
Tradition als Wal gedeutet. Die Schriftsteller der Bibel unterscheiden auch
nicht immer scharf zwischen realen Tieren und Symbolgestalten (Drachen,
Seeungeheuer). Hin und wieder schreiben sie Tieren menschliche Fähigkeiten
zu, z. B. wenn sie die Schlange im Garten Eden (Gen 3,1) oder die Eselin des
Bileam (Num 22,28) das Wort ergreifen lassen. Die menschlichen Verfasser der
Bibel sind eben keine Biologen und Zoologen, sondern Poeten, Propheten,
Priester, Seelsorger. Nicht zoologisches Wissen zu vermitteln, ist ihr
Auftrag, sondern zur Ehrfurcht vor Gottes Schöpfung und zum geordneten
Miteinander der Geschöpfe aufzurufen. „Sie sollen
walten …“ Den
Menschen wird dabei eine besondere Verantwortung für die Mitgeschöpfe
zugesprochen: „Sie sollen walten über
die Fische des Meeres, über die Vögel des Himmels, über das Vieh, über die
ganze Erde und über alle Kriechtiere, die auf der Erde kriechen. Gott erschuf
den Menschen als sein Bild, als Bild Gottes erschuf er ihn. Männlich und weiblich
erschuf er sie.“ (Gen 1,26f) Leider wurde dieses „Walten“ (hebr. רדה - radah)
oft als willkürliches und rücksichtsloses Herrschen missverstanden. Menschen
wurden zu ausbeuterischen Despoten ihres Planeten und ihrer Mitgeschöpfe,
statt kluge Verwalter im Sinne Gottes zu sein. Darum mahnt Papst Franziskus
in seiner Enzyklika Laudato si (24.
Mai 2015): „Diese Verantwortung
gegenüber einer Erde, die Gott gehört, beinhaltet, dass der Mensch, der
vernunftbegabt ist, die Gesetze der Natur und die empfindlichen
Gleichgewichte unter den Geschöpfen auf dieser Welt respektiert...“
(68) „Du liebst
alles, was ist“ Die Bibel spricht immer
wieder vom „Bund“, den Gott mit den Menschen schließt. Der Gedanke des Bundes
gehört zu den zentralen Themen der Bibel. Leicht wird dabei übersehen, dass
Gott nicht nur mit Menschen, sondern auch mit den Tieren im Bunde steht. In
der bekannten Erzählung von der Sintflut und der rettenden Arche spricht Gott
zu Noah: „Siehe, ich richte meinen Bund
auf mit euch und mit euren Nachkommen nach euch und mit allen Lebewesen bei
euch, mit den Vögeln, dem Vieh und allen Wildtieren der Erde bei euch, … mit
allen Wildtieren der Erde überhaupt.“ (Gen 9,9f) Der Regenbogen soll
fortan das Zeichen des Bundes zwischen Gott und allen seinen Geschöpfen sein.
Eine späte Schrift der
Bibel, das Buch der Weisheit, spricht staunend von Gott: „Du liebst alles, was ist, und verabscheust nichts von allem, was du
gemacht hast; denn hättest du etwas gehasst, so hättest du es nicht
geschaffen.“ (Weish 11,24) Jedes Geschöpf ist demnach Ausdruck der Liebe
und Zärtlichkeit Gottes und hat seinen Platz in der Welt. Der Mensch hat das
Zueinander und Miteinander der Geschöpfe zu beachten, wenn er sich der
anderen Lebewesen, ihrer Kraft und ihrer Fähigkeiten bedient. „Schafe und
Ziegen, Rinder und Esel“ Für Menschen in
biblischer Zeit sind Rinder, Schafe, Ziegen, Esel und Kamele von besonderer
Bedeutung (vgl. Gen 12,16). Felle, Häute, Wolle, Milch, Fleisch … – tierische
Produkte verschiedener Art ermöglichen Nahrung, Kleidung, Wohnung (Teppich
und Zeltdach), aber auch Feste mit Musik (Trommel, Hörner und Saiten) und
kultische Opferfeiern (Opfertiere). Unser Wort „Jubel“ kommt vom hebräischen
„jobel“, dem Widderhorn, mit dem im Volk Israel zum Fest geblasen wird (vgl.
Ps 81,4). Esel und Kamele, seltener das Pferd, helfen im Alltag Lasten tragen
und dienen als Reittiere. Immer wieder ist in den heiligen Texten von Löwe
und Bär, Reh und Hirsch, Schlange und Fisch, Adler und Taube, Heuschrecke und
Biene die Rede – oft nur nebenbei im alltäglichen Sinn, oft aber auch in
Gleichnissen; Tiere werden zu Symbolen für menschliches Verhalten, für
bedrohliche und angenehme Situationen, aber auch für die göttliche
Wirklichkeit. Gott, so steht geschrieben, trägt sein Volk in die Freiheit wie
auf „Adlerflügeln“ (Ex 19,4), Jesus wird „Lamm Gottes“ (Joh 1,29) genannt und
der Heilige Geist kommt „wie eine Taube“ (Mk 1,10) auf Jesus herab. Jesus
selbst spricht in seinen Bildworten und Gleichnissen unter anderem von Fuchs,
Henne, Kamel, Wolf, Lamm, Schlange, Skorpion, Fisch und Spatz. „An Liebe
habe ich Gefallen, nicht an Schlachtopfern“ Bestimmte Passagen des
Alten Testamentes (z.B. im Buch Levitikus) handeln von „reinen“ und „unreinen“
Tieren. Unrein bedeutet hier nicht schmutzig oder unmoralisch, sondern
bezieht sich auf jene Tiere, die im Volk Israel aus religiösen Gründen nicht
gegessen bzw. nicht als Opfer dargebracht werden dürfen. Schlachtopfer sind
in vielen alten Religionen üblich, so auch in Israel bis zur Zerstörung des
Jerusalemer Tempels (70 n. Chr.). Genaue Vorschriften regeln den Opferkult.
Im Gegensatz zur Priesterschaft relativieren und kritisieren Propheten diesen
Kult im Namen Gottes: „An Liebe habe
ich Gefallen, nicht an Schlachtopfern, an Gotteserkenntnis mehr als an
Brandopfern.“ (Hos 6,6) Jesus bestätigt diese Sicht im Neuen Testament
(vgl. Mk 12,32-34). Dem folgt auch die junge Christenheit, wenn sie immer
deutlicher verkündet: Jesus hat das Böse durch seine Liebe, die er am Kreuz
vollendet hat, überwunden, „denn das
Blut von Stieren und Böcken kann unmöglich Sünden wegnehmen“ (Hebr 10,4).
Exkurs:
Fleischfasten im Christentum Die Christliche Religion
kennt grundsätzlich keine religiösen Speisevorschriften. Christen und
Christinnen dürfen alles essen. Es war aber in der christlichen Tradition
durchaus üblich, an bestimmten Tagen (Freitag und Mittwoch) und in der
gesamten Fastenzeit auf Fleisch und tierische Produkte zu verzichten. Fisch
war davon ausgenommen. Das Kirchengebot des „fleischlosen Freitags“ war bis
weit in das 20. Jahrhundert hinein ein Markenzeichen für katholische
Gläubige. In vielen Ordensgemeinschaften war der weitgehende Verzicht auf
Fleisch lange selbstverständlich. Mit der Zeit verschwand das Verständnis
dafür. In den letzten Jahren erfreut sich aber das „Fleischfasten“ aus
ethischen und ökologischen Gründen auch außerhalb von Klöstern und
geistlichen Gemeinschaften wieder größerer Beliebtheit. „Der
Gerechte weiß, was sein Vieh braucht“ Die Bibel enthält auch
einige schöne Zeugnisse für das, was man heute Tierliebe nennt.
Hartherzigkeit passt jedenfalls nicht zur Tierhaltung: „Der Gerechte weiß, was sein Vieh braucht,
doch das Herz der Frevler ist
hart.“ (Spr 12,10) Und: „Du sollst
dem Ochsen, der da drischt, nicht das Maul verbinden.“ (Deut 25,4) Fast zärtlich klingt die
Weisung: „Wenn du unterwegs auf einem
Baum oder auf der Erde zufällig ein Vogelnest mit Jungen oder mit Eiern darin
findest und die Mutter auf den Jungen oder auf den Eiern sitzt, sollst du die
Mutter nicht zusammen mit den Jungen herausnehmen.“ (Deut 22,6) Dass Gott
alle seine Geschöpfe kennt, macht Jesus mit diesem Wort deutlich: „Verkauft man nicht fünf Spatzen für zwei
Pfennige? Und doch ist nicht einer von ihnen vor Gott vergessen.“ (Lk
12,6) Vollendung
der Schöpfung „Kommt meine Katze in den
Himmel?“ – Diese Kinderfrage beantwortet die Bibel nicht direkt. Aber sie
weiß um eine Beziehung aller Geschöpfe zu Gott: „Alles, was atmet, lobe den Ewigen. Halleluja!“ (Ps 150, 6) Nach
dem Zeugnis der Bibel wird einst die ganze (!) Schöpfung, also auch die
gesamte Tierwelt, in Gott ihre Vollendung finden. „Denn aus ihm und durch ihn und auf ihn hin ist die ganze Schöpfung.
Ihm sei Ehre in Ewigkeit! Amen.“ (Röm 11,36) Papst Franziskus lädt am
Ende seiner Enzyklika Laudato si, in der er alle Menschen guten Willens
zu einem respektvollen Umgang mit der Schöpfung auffordert, auch Gläubige
anderer Religionen zum Gebet für unserer Erde ein. Hier die ersten Zeilen
dieses Gebetes: „Allmächtiger
Gott, der du in
der Weite des Alls gegenwärtig bist und im kleinsten deiner Geschöpfe, der du
alles, was existiert, mit deiner Zärtlichkeit umschließt, gieße uns
die Kraft deiner Liebe ein, damit wir das Leben und die Schönheit hüten. Überflute
uns mit Frieden, damit wir als Brüder und Schwestern leben und
niemandem schaden…“ Weitere
Bibelworte zum Thema Tiere Psalm
104 preist den Schöpfer und nennt dabei: die Tiere des Feldes, den Wildesel,
die Vögel des Himmels, den Storch, den Steinbock, den Klippdachs, die Tiere
des Waldes, die jungen Löwen, den Leviatan und das Gewimmel ohne Zahl im
Meer… - „Herr, wie zahlreich sind deine
Werke! Mit Weisheit hast du sie alle gemacht, die Erde ist voll von deinen
Geschöpfen.“ (Psalm 104,24) „Lobt JHWH [Gott], ihr auf der Erde, ihr Ungeheuer
des Meeres und all ihr Tiefen, … ihr Tiere alle, wilde und zahme, ihr
Kriechtiere und ihr gefiederten Vögel.“ (Psalm 148,7.10) „Er [Gott] gibt dem Vieh seine Nahrung, gibt den
jungen Raben, wonach sie schreien.“ (Psalm 147,9) „Auch der Sperling fand ein Haus und die Schwalbe
ein Nest, wohin sie ihre Jungen gelegt hat - deine Altäre, JHWH [Gott] der
Heerscharen, mein Gott und mein König.“ (Psalm 84,4) „Die wilden Tiere werden mich preisen, die Schakale
und Strauße, denn ich lasse in der Wüste Wasser fließen und Flüsse im Ödland
…“
(Jesaja 43,20) „Er hat ja die Erde für immer gegründet, er hat sie
mit vierfüßigen Tieren bevölkert.“ (Baruch 3,29) „Soll ich [Gott] nicht Mitleid haben mit Ninive, der
großen Stadt, in der mehr als hundertzwanzigtausend Menschen leben, die
zwischen rechts und links nicht unterscheiden können - und außerdem so viel
Vieh?“ (Jona
4,11) „Sechs Tage kannst du deine Arbeit verrichten, am
siebten Tag aber sollst du ruhen, damit dein Rind und dein Esel ausruhen …“ (Exodus 23,12) „Wenn du dem verirrten Rind oder dem Esel deines
Feindes begegnest, sollst du ihm das Tier zurückbringen. Wenn du siehst, wie
der Esel deines Feindes unter seiner Last zusammenbricht, dann lass ihn nicht
im Stich, sondern leiste ihm Hilfe!“ (Exodus 23,4f) „Das Erbarmen eines Menschen gilt seinem Nächsten,
das Erbarmen des Herrn aber gilt allen Lebewesen.“ (Jesus Sirach 18,13) „Jesus fand einen jungen Esel und setzte sich darauf
- wie es in der Schrift heißt: Fürchte dich nicht, Tochter Zion! Siehe, dein
König kommt; er sitzt auf dem Fohlen einer Eselin.“ (Johannes 12,14f) Und
wenn alles in Gott vollendet ist: „Der Wolf findet Schutz beim Lamm, der Panther liegt
beim Böcklein. Kalb und Löwe weiden zusammen, ein kleiner Junge leitet sie.
Kuh und Bärin nähren sich zusammen, ihre Jungen liegen beieinander. Der Löwe
frisst Stroh wie das Rind. Der Säugling spielt vor dem Schlupfloch der Natter
und zur Höhle der Schlange streckt das Kind seine Hand aus.“ (Jesaja 11, 6-8) Papst
Franziskus: Alle Geschöpfe sind eine universale Familie! „Alles ist dein Eigentum, Herr, du Freund des Lebens
(vgl. Weish 11,26). Das gibt Anlass zu der Überzeugung, dass sämtliche
Geschöpfe des Universums, da sie von ein und demselben Vater erschaffen
wurden, durch unsichtbare Bande verbunden sind und wir alle miteinander eine
Art universale Familie bilden, eine sublime Gemeinschaft, die uns zu einem
heiligen, liebevollen und demütigen Respekt bewegt.“ (Laudato si 89) Tiersymbolik in der christlichen Tradition Zurück zur
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