Karl Veitschegger

 

7 x Morgengedanken im ORF


Vom 4.8.–10.8.2013 ausgestrahlt von den ORF-Landesstudios

 

Zum Hören:

 

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Zum Nachlesen:

 

SONNTAG

 

Sonntag – der heutige Tag hat in der deutschen Sprache seinen Namen von der Sonne.

Die meisten Menschen freuen sich, wenn es am Sonntag tatsächlich sonnig ist, also schönes Wetter gibt. Zugleich kennen viele das Verslein: „Trag Sonne im Herzen, ob`s stürmt oder schneit …“ Wir wissen, dass es nicht nur auf die astronomische Sonne ankommt, damit ein Sonntag gelingt.

 

Es gibt noch eine „andere Sonne“. Gegen sie brauchen wir keinen Sonnenschutz. Denn sie soll uns unter die Haut gehen. Und wir können sogar mithelfen, damit sie uns unter die Haut geht: die Sonne der Freundlichkeit und Freundschaft, die Sonne der Freude und Erholung, die Sonne der Dankbarkeit und der Besinnung.

 

Gläubige verschiedener christlicher Kirchen feiern den Sonntag auch als Tag der Auferstehung, weil sie an die Sonne der Liebe Gottes glauben, an die Sonne, die jedes Dunkel erhellen kann, sogar die Nacht des Todes.

 

Ob wir mit dem Wetter heute zufrieden sind oder nicht, öffnen wir uns auf jeden Fall dieser „Sonntags-Sonne“ – und spüren wir die Kraft des Lebens. 

 

 

TOD – HOFFNUNG (Montag)

 

Meine erste Erfahrung mit dem Tod habe ich als kleines Kind gemacht. Morli, meine Katze, ist vor unserem Haus von einem Auto überfahren worden. Mein Vater hat die tote Katze in einen großen Papiersack gegeben und bis zur Entsorgung musste ich vor dem Haus den Sack bewachen.

 

Da ist eine Frau vorbeigekommen und hat mich ahnungslos gefragt: „Kleiner Bub, was hast du denn da in dem großen Sack?“ Die Frage hat mich mitten ins Herz getroffen. Ich habe den Namen meiner Katze geflüstert und schon sind dicke Tränen über mein Gesicht gekollert. Erstmals habe ich gespürt, was es heißt, von einem geliebten Lebewesen durch den Tod getrennt zu sein. Es hat sehr wehgetan.

War meine Katze jetzt für immer weg? Die Frage, ob es auch für sie einen Himmel gibt, wollten meine Eltern damals nicht beantworten. Unser Pfarrer auch nicht.

 

Viel später habe ich in der Bibel gelesen: Alles ist durch Gott und auf ihn hin geschaffen. (vgl. Kol 1,16) – Auf IHN hin! Wenn das stimmt, haben alle Geschöpfe ihr letztes Ziel in Gott. Auch mein Morli.

 

 

ANGST (Dienstag)

 

Unsere zweite Tochter hat als Volksschulkind, obwohl sie eine gute Schülerin war, eine Zeitlang Angst vor der Schule gehabt. Daher hat Sie mich gebeten, sie auf dem Schulweg zu begleiten. So sind wir längere Zeit Tag für Tag ein Stück des Weges gemeinsam gegangen – sie zur Schule, ich zur Arbeit.

 

Eines Morgens war sie plötzlich unbeschwert und glücklich. Den Grund dafür hat sie mir so erklärt: „Vielleicht hat der liebe Gott die Angst in den Himmel genommen und sie geputzt, bis sie geglänzt hat, und dann ist sie eine Freude geworden.“ Überrascht von dieser kindlichen Poesie und dankbar, dass meine Tochter wieder heiter war, habe ich mir diesen Satz notiert.

 

Auch ich habe in meinem Leben an vielen Ängsten gelitten. Einige sind so groß geworden, dass ich therapeutische Hilfe in Anspruch genommen habe. Zugleich habe ich den Rat von Freunden beherzigt, mich immer wieder Gott anzuvertrauen. Heute darf ich in Anlehnung an meine Tochter sagen: Durch liebe und kompetente Menschen hat Gott auch viele meiner Ängste geputzt – solange, bis sie geglänzt haben und zur tragfähigen Lebensfreude geworden sind.

 

 

LUST (Mittwoch)

 

In einem alten Kirchenlied aus dem 17. Jahrhundert, das in evangelischen und katholischen Kirchen sehr gern gesungen wird, heißt es, dass wir uns auf Gott vorbereiten und einstimmen sollen „mit Andacht, Lust und Freud“.

 

Andacht – na gut, das gehört sich; Freude – das geht auch noch. Aber Lust? Viele Menschen verbinden mit Gott, Glaube und Kirche eher Pflicht und Gebot. Manche, die sich etwas mehr darauf einlassen, vielleicht noch Freude. Aber Lust?

 

Und doch ist die Lust eine wichtige Weggefährtin zu Gott. Freilich verlangt das Leben, soll es nicht unmenschlich und zerstörerisch werden, von uns auch Maß und Verzicht. Aber der Schöpfer hat doch auch viel Schönes und Lustvolles in unser Leben verpackt. Das dürfen, ja sollen wir entdecken und dankbar annehmen.

 

Gott selbst ermutigt uns dazu durch die Bibel. Im Alten Testamente bei Jesus Sirach finden wir dieses Wort: „Versag dir nicht das Glück des heutigen Tages; an der Lust, die dir zusteht, geh nicht vorbei!“ (Sir 14,14)

Achten wir darauf. Auch heute.

 

 

DANKBARKEIT (Donnerstag)

 

Ich habe eine Mitfahrgelegenheit von Graz in die südliche Steiermark gesucht. Ein älterer Priester hat mich in seinem Auto mitgenommen. Während der Fahrt haben wir uns über dies und das unterhalten.

 

Schließlich hat er von seinen Krankenbesuchen erzählt. Dabei hat er erwähnt, dass er auch schwerkranken und bettlägerigen Menschen empfehle, sie sollten, sobald sie in der Früh wach werden, als erstes darüber nachdenken, wofür sie Gott und den Menschen dankbar sein können. Denn – so der Pfarrer – jeder Mensch hat immer etwas, wofür er danken kann.

 

Nun, ich weiß nicht, ob das 100-prozentig stimmt. Aber ich habe es mir von da an eine Zeitlang zur Gewohnheit gemacht, meinen ersten freiwilligen Gedanken in der Früh auf etwas zu richten, wofür ich Gott danken kann. Ohne Hintergedanken, ohne gleich eine Bitte folgen zu lassen.

 

Die Herausforderungen des Tages haben dadurch ein spürbar positives Vorzeichen bekommen. Leider habe ich diese Praxis nicht immer durchgehalten. Aber seit einiger Zeit nehme ich sie wieder ernst und stärke am Morgen meine Dankbarkeitsmuskel. Und es stimmt: Dankbarkeit gibt Kraft und macht frei.

 

 

KREUZ (Freitag)

 

Wer durch unser Land geht und fährt, begegnet an vielen Orten dem Zeichen des Kreuzes … Harmloser Schmuck? Stolzes Logo der Mehrheitsreligion?

 

Heute ist Freitag. Da denke ich an jenen Freitag in Jerusalem vor fast 2000 Jahren: Jesus wird gekreuzigt. Ein Opfer menschlicher Willkür und Brutalität. Es wäre mehr als verständlich, würde der Gekreuzigte seine Peiniger verfluchen. Das haben unschuldig Verurteilte immer wieder getan. Aber von diesem Kreuz kommt kein Fluch. Wir hören ganz anderes: „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.“ (Lk 23,34) Mitten im Gewitter des Hasses stiftet dieser Gekreuzigte Versöhnung. Eine Kraft wird spürbar, die stärker ist als alles menschliche Versagen, letztlich sogar stärker als Leid und Tod.

 

So wird das Zeichen der Ausgrenzung, der Brutalität und des Todes durch Jesus zum Zeichen der Feindesliebe, der Versöhnung und des Lebens. Für viele Menschen, nicht nur für gläubige Christinnen und Christen, ist es daher ein gutes Zeichen.

 

 

UMWEGE (Samstag)

 

Die biblische Erzählung vom ägyptischen Josef hat mich schon als Kind fasziniert:

 

Josef wird von seinen Brüdern aus Eifersucht in die Sklaverei nach Ägypten verkauft. Dort macht er Entsetzliches durch. Aber dann wendet sich das Blatt, er macht sogar Karriere und bringt es bis zum Stellvertreter des Pharaos. Als eine Hungersnot auch seine Brüder nach Ägypten treibt, rettet Josef sie und ihre Familien vor dem Verhungern.

Schließlich sagt er ohne Verbitterung zu ihnen: „Ihr habt zwar Böses gegen mich im Sinn gehabt, aber Gott hat Gutes daraus entstehen lassen. Dadurch, dass ich jetzt hier bin, können viele Menschen am Leben bleiben.“ (Gen 50,20)

 

Nicht so dramatische, aber im Kern ähnliche Ereignisse kenne ich auch aus eigener Erfahrung. Da sieht etwas ganz schlimm aus – und es ist auch schlimm. Man kann momentan keinen Sinn darin erblicken. Und dennoch wächst, oft erst nach Jahren, Gutes daraus. Es gehört zu meinen wichtigsten religiösen Erfahrungen, dass Gott solche Umwege geht. Gott kann auch auf dem größten Mist Blumen wachsen lassen. Ja, daran glaube ich.

 

 

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