Karl Veitschegger (2012)

 

„Jesus als Sühne für unsere Sünden gestorben“ – was heißt das?


War Gott auf die Menschen böse? Musste Jesus durch sein Opfer am Kreuz Gott besänftigen? Ihn so zum lieben Gott machen? – Das Evangelium sagt das anders: „Gott hat die Welt so sehr geliebt“ und deshalb Jesus gesandt. (Joh 3,17) Gott selbst wollte und will die Versöhnung – aus Liebe!

 

Gott beleidigen?

Menschen verursachen durch ihre Schuld viel Unheil und Leid in der Welt. Wer Unrecht tut, fügt nicht nur seinen Mitmenschen und Mitgeschöpfen Leid zu, sondern auch Gott. Denn – so glauben Christen und Christinnen – Gott ist in jedem Menschen gegenwärtig. Er ist in Jesus sogar selbst Mensch geworden, hat sich „gewissermaßen mit jedem Menschen vereinigt“1 und leidet das Leid aller Gequälten mit: „Was ihr dem Geringsten meiner Geschwister getan habt, das habt ihr mir getan ...“ (Matthäus 25)

Am Schicksal des Gekreuzigten zeigt sich besonders brutal, wozu menschliche Bosheit fähig ist. Und der Gekreuzigte nimmt das Böse an, lässt es sich zu Herzen gehen, stirbt daran. Scheinbar siegt die Bosheit …

 

Gewaltlos

Aber am Kreuz offenbart sich nicht nur die Wucht des Bösen, sondern auch die Kraft der Liebe Gottes. Jesus verzichtet bewusst auf Rache und Gewalt. Er hat Feindesliebe nicht nur gepredigt, sondern lebt sie bis zuletzt: „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.“ (Lukas 23,34) Er will die „Täter“ aller Zeiten gewaltlos zu Einsicht, echter Reue und Umkehr bewegen. Zugleich ist er allen „Opfern“ ein mitfühlender Leidensgefährte. Er versteht sie – gerade auch dann, wenn sie sich von Gott verlassen fühlen. Er ist einer von ihnen, will ihre Wunden heilen und kann ihnen sogar helfen, ihren Feinden zu verzeihen. Mit dem Einsatz seines Lebens ermöglicht er Versöhnung, die das Böse entlarvt und neues Heil schafft.

 

Schöpferische Liebe

In jedem von uns steckt ja beides: „Täter“ und „Opfer“; wir verursachen Böses und wir erleiden Böses. Gottes Liebe, die in Jesus ein verwundbarer Mensch geworden ist, kann durch den Heiligen Geist allen Opfern und Tätern innerlich nahe sein, weiß, was ihnen Not tut, trägt und erträgt alle, ist letztlich stärker als all das Böse. Sie hat die schöpferische Macht, sogar heillos scheinende Situationen zum Guten zu wenden. (Aus dem untreuen Petrus wird der Fels der Kirche, aus dem Christenverfolger Paulus der Völkerapostel, aus dem Terroristen Dismas2 „in letzter Minute“ ein Heiliger.) Weil für den Gekreuzigten und Auferstandenen keine Wunde unheilbar und keine Schuld untilgbar ist, kann man sagen: Seine Liebe wird, wenn wir uns ihr nicht verweigern, alles zum Guten wenden. Eine wirksamere „Sühne“ und „Wieder-gut-Machung“ gibt es nicht.

 

Karl Veitschegger

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1 Zweites Vatikanum, Gaudium et spes 22

2 So wird in der Tradition der zur Rechten Jesu gekreuzigte Verbrecher genannt (Lk23,39-43)

 

 

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