„Jesus als Sühne für unsere Sünden gestorben“ – was heißt das? War Gott auf die Menschen böse? Musste Jesus
durch sein Opfer am Kreuz Gott besänftigen? Ihn so zum lieben Gott machen? –
Das Evangelium sagt das anders: „Gott hat die Welt so sehr geliebt“ und
deshalb Jesus gesandt. (Joh 3,17) Gott selbst wollte und will die Versöhnung
– aus Liebe! Gott beleidigen? Menschen verursachen durch ihre Schuld viel
Unheil und Leid in der Welt. Wer Unrecht tut, fügt nicht nur seinen
Mitmenschen und Mitgeschöpfen Leid zu, sondern auch Gott. Denn – so glauben
Christen und Christinnen – Gott ist in jedem Menschen gegenwärtig. Er ist in
Jesus sogar selbst Mensch geworden, hat sich „gewissermaßen mit jedem
Menschen vereinigt“1 und leidet das Leid aller Gequälten mit: „Was
ihr dem Geringsten meiner Geschwister getan habt, das habt ihr mir getan ...“
(Matthäus 25) Am Schicksal des Gekreuzigten zeigt sich
besonders brutal, wozu menschliche Bosheit fähig ist. Und der Gekreuzigte
nimmt das Böse an, lässt es sich zu Herzen gehen, stirbt daran. Scheinbar
siegt die Bosheit … Gewaltlos Aber am Kreuz offenbart sich nicht nur die
Wucht des Bösen, sondern auch die Kraft der Liebe Gottes. Jesus verzichtet
bewusst auf Rache und Gewalt. Er hat Feindesliebe nicht nur gepredigt,
sondern lebt sie bis zuletzt: „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht,
was sie tun.“ (Lukas 23,34) Er will die „Täter“ aller Zeiten gewaltlos zu
Einsicht, echter Reue und Umkehr bewegen. Zugleich ist er allen „Opfern“ ein
mitfühlender Leidensgefährte. Er versteht sie – gerade auch dann, wenn sie
sich von Gott verlassen fühlen. Er ist einer von ihnen, will ihre Wunden
heilen und kann ihnen sogar helfen, ihren Feinden zu verzeihen. Mit dem
Einsatz seines Lebens ermöglicht er Versöhnung, die das Böse entlarvt und
neues Heil schafft. Schöpferische Liebe In jedem von uns steckt ja beides: „Täter“
und „Opfer“; wir verursachen Böses und wir erleiden Böses. Gottes Liebe, die
in Jesus ein verwundbarer Mensch geworden ist, kann durch den Heiligen Geist
allen Opfern und Tätern innerlich nahe sein, weiß, was ihnen Not tut, trägt
und erträgt alle, ist letztlich stärker als all das Böse. Sie hat die
schöpferische Macht, sogar heillos scheinende Situationen zum Guten zu
wenden. (Aus dem untreuen Petrus wird der Fels der Kirche, aus dem Christenverfolger
Paulus der Völkerapostel, aus dem Terroristen Dismas2 „in letzter
Minute“ ein Heiliger.) Weil für den Gekreuzigten und Auferstandenen keine
Wunde unheilbar und keine Schuld untilgbar ist, kann man sagen: Seine Liebe
wird, wenn wir uns ihr nicht verweigern, alles zum Guten wenden. Eine
wirksamere „Sühne“ und „Wieder-gut-Machung“ gibt es nicht. Karl Veitschegger -------------- 1 Zweites Vatikanum, Gaudium et spes
22 2 So wird in der Tradition der zur Rechten Jesu gekreuzigte
Verbrecher genannt (Lk23,39-43) Zurück zur Startseite von Karl Veitschegger Zurück zum Menü „Artikel, Referate, Skizzen ...“ |