Karl Veitschegger (2023)

 

Hat Jesus gesungen, musiziert und getanzt?


 

Einen Jesus, der ein Lied vor sich hin trällert, Flöte spielt oder fröhlich die Saiten einer Kithara zupft, finden wir in den ältesten Quellen nicht. Erst eine außerbiblische Schrift aus dem Ende des zweiten Jahrhunderts (Johannesakten) lässt Jesus am Abend vor seiner Gefangennahme am Ölberg mit seinen Jüngern singen und tanzen. Historisch glaubwürdig ist das nicht. Das älteste Evangelium klingt da viel nüchterner: „Nach dem Lobgesang [!] gingen sie zum Ölberg hinaus.“ (Markus 14,26)

 

Öfter gesungen

Dennoch darf man annehmen, dass Jesus öfter gesungen hat: am Sabbat in der Synagoge, bei Hochzeiten (z.B. in Kana, vgl. Johannes 2) und immer, wenn er eingeladen war und jemand ein Lied anstimmte. Im Alten Orient wird gern und viel gesungen. Feldarbeit und Handwerk gehen leichter von der Hand, wenn sie von Gesang begleitet werden. So singt vermutlich auch der Bauhandwerker Jesus nicht nur die alten hebräischen Psalmen in der Synagoge, sondern auch aramäische Lieder seiner Zeit. Und warum soll er dazu nicht auch manchmal getanzt haben?

 

„Tanz und Musik“

Sein großes Talent liegt allerdings im Erzählen. Man hört ihm gerne zu. Ob er eine schöne, angenehme Stimme hatte? Sehr gut möglich. Mit seinen Gleichnissen erreicht er jedenfalls Herz und Verstand der Menschen. Viele spüren beim Zuhören, dass auch in ihrem kleinen schwierigen Leben die Liebe Gottes am Werk ist („Reich Gottes“). In einer seiner schönsten Erzählungen (Lukas 15,11–23) schildert Jesus, wie ein Vater seinen Sohn, der ihn vor Jahren mit frechen Forderungen verlassen hat und nun total zerlumpt zurückkommt, liebevoll aufnimmt. Ja, der Vater lässt ein kostspieliges Fest für ihn ausrichten. Dass Jesus hier ausdrücklich „Tanz und Musik“ (Lukas 15,25) erwähnt, zeigt, dass er um die Schönheit dieser Dinge weiß und sie schätzt.

 

Musik blieb wichtig

In der späteren Jesusbewegung spielen daher Singen und Musizieren eine große Rolle: „Singt Gott in eurem Herzen Psalmen, Hymnen und Lieder, wie sie der Geist eingibt …“ (Kolosser 3,16). Noch immer bewegen die liturgischen Gesänge der Ostkirche, der Reichtum der abendländischen Kirchenmusik, die Spirituals und viele andere christliche Lieder die Herzen der Menschen. Kirchweihtage („Kirtage“) sind bis heute an vielen Orten lustige Zusammenkünfte mit viel Tanz und Musik. Auch Karneval und Fasching haben ihren Ursprung im katholischen Kirchenjahr.

 

Karl Veitschegger

 

Singen im alten Israel

„Als sie nach Davids Sieg über den Philister heimkehrten, zogen die Frauen aus allen Städten Israels König Saul singend und tanzend mit Handpauken, Freudenrufen und Zimbeln entgegen." (1 Samuel 18,6) „Ich will jauchzen und an dir mich freuen, für dich, du Höchster, will ich singen und spielen." (Psalm 9,3)

 

 

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