Karl Veitschegger (2022) Hatte Jesus Geschwister? Ja,
die Bibel spricht mehrmals von Brüdern und Schwestern Jesu. Vier Brüder nennt
sie sogar mit Namen: Jakobus, Joses (oder Josef), Simon und Judas (vgl. Mk
6,3; Mt 13,55f). Ein einsames Einzelkind war Jesus demnach nicht. Aber
Vorsicht, das bedeutet nicht unbedingt, dass diese Geschwister auch Kinder
seiner Mutter Maria waren. „Bruder“ ist nicht immer Bruder Denn
im Sprachgebrauch der Bibel ist die Bezeichnung „Brüder“ nicht auf leibliche
Brüder beschränkt, sondern umfasst auch nahe Angehörige. So nennt Abraham
seinen Neffen Lot „Bruder“ (Gen 13,8 und öfter). Im Buch der Chronik (23,21–22)
lesen wir, dass die Töchter Eleasars „ihre Brüder“ (wörtlich übersetzt!)
heiraten. Aus dem Zusammenhang wird klar, dass es sich um die Söhne ihres
Onkels Kisch, also um Cousins handelt. So können auch die Brüder und
Schwestern, mit denen Jesus in Nazaret aufwuchs, als nahe Verwandte,
vielleicht als Cousins und Cousinen, verstanden werden. Hatte Josef Kinder? Interessant
ist eine außerbiblische, seit 150 n. Chr. nachweisbare Überlieferung, nach
der Josef, als er sich mit Maria verlobte, Witwer war und bereits größere
Kinder aus einer früheren Ehe mitbrachte. Demnach wäre Jesus mit älteren
Stiefgeschwistern in einer Patchworkfamilie aufgewachsen. Die Annahme, dass seine
Brüder älter waren als er, würde gut erklären, warum sie sich ihm gegenüber
manchmal wie Autoritätspersonen gebärden (vgl. Mk 3,31 in Verbindung mit
3,21; Joh 7,1-7). Dass
Jesus laut Johannesevangelium (19,26f) in der Stunde seines Todes seine
Mutter der Obhut eines Jüngers anvertraut, wird auch oft als Fehlen eines
anderen leiblichen (!) Sohnes gedeutet, der jetzt die Sorgepflicht für die
Mutter übernehmen müsste. Was lehren die Kirchen? Die
katholische Kirche und alle orthodoxen Kirchen lehren offiziell, dass Maria
nach der Geburt Jesu keine eigenen Kinder mehr hatte und nicht nur im
spirituellen, sondern auch im leiblichen Sinn Jungfrau blieb. Auch der
Reformator Martin Luther bezeichnet Maria als „sempervirgo“ (Immer-Jungfrau)
und Huldrych Zwingli hält die Brüder Jesu für „fründ“ (Verwandte). Erst
später, wohl auch um sich von der katholischen Marienverehrung abzusetzen,
lehrten protestantische Theologen und Theologinnen bewusst, Maria habe
mehrere Kinder geboren. Diese Ansicht hat sich im protestantischen Bereich
durchgesetzt und findet sich heute auch unter katholischen Gläubigen. In der
christlichen Kunst wurde Maria allerdings nie als Mutter mehrerer Kinder, sondern
immer nur als Mutter Jesu dargestellt. Worauf es ankommt Viel
wichtiger als die historische Frage, ob Jesus vor 2000 Jahren leibliche
Geschwister hatte oder nicht, ist die Frage, wer heute zu seinen
„Geschwistern“ gehört. Denn wie sagt Jesus? – „Wer ist meine Mutter und wer
sind meine Brüder? – Wer den Willen Gottes erfüllt, der ist für mich Bruder
und Schwester und Mutter.“ (Mk 3,31–35) Darauf kommt es ihm an. Karl
Veitschegger 2022 Älterer
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