Karl Veitschegger (2023)

 

Jesus wird versucht … - Einige Gedanken


 

Geliebter Sohn

Die ersten drei Evangelien erzählen, dass Jesus nach seiner Taufe im Jordan von wunderbarer Gottesnähe durchflutet wird – er hört Gottes Stimme: „Du bist mein geliebter Sohn!“ –, aber schon bald darauf „treibt“ oder „führt“ ihn der „Geist“ für 40 Tage in die Wüste (vgl. Mt 4,1-11; Mk 1,12-13; Lk 4,1-13). Die Wüste ist in der Bibel oft Ort der Gottesbegegnung, aber auch des Haderns mit Gott, der Versuchung, der Bewährung und der Entscheidung.

 

Der Versucher

Kein Wunder, dass in den Erzählungen der Evangelisten der Versucher auftritt, eine nicht zu unterschätzende Macht der Verführung, die jetzt auch den fastenden Jesus beschleicht. Matthäus und Lukas stellen uns (in unterschiedlicher Reihenfolge) drei Szenen vor Augen, in denen der Teufel, der dabei durchaus fromme Bibelworte benutzt, Jesus eine Karriere irdischen Erfolges schmackhaft machen will. Das geschieht durch die Versuchung zum Populismus (Jesus soll Brot herzaubern und damit rasche Triebbefriedigung in Aussicht stellen), durch die Versuchung zu abergläubischer Religion (Tempelsprung-Wunder-Show, frommes Theater, Missbrauch von Religion) und durch die Versuchung, narzisstische Allmachtphantasien auszuleben (Weltherrschaft durch Pakt mit dem Bösen, Erfolg durch Korruption).

Egoistische Selbstoptimierung auch mit unlauteren Mitteln oder selbstbewusster Dienst an den Mitmenschen bis zum Letzten? Welche Art „Messias“ will Gott? Wie will Gott unter den Menschen wirken? Wie soll sich das Gute durchsetzen?

Ähnliche Versuchungen, wie sie Jesus zusetzten, sind auch in unseren Tagen virulent. Jesus widerstand ihnen jedenfalls und nahm das Risiko der Lebenshingabe auf sich.

 

Teufel als Person?

Matthäus und Lukas nennen den Versucher „Teufel“, Markus „Satan“. Papst Franziskus spricht erstaunlich unbekümmert immer wieder vom „Teufel“ als Person. Papst Benedikt war da vorsichtiger. Schon als Theologe schrieb er: „Wenn man fragt, ob der Teufel Person sei, so müsste man richtigerweise wohl antworten, er sei die Un-Person, die Zersetzung, der Zerfall des Personseins und darum ist es ihm eigentümlich, dass er ohne Gesicht auftritt, dass die Unkenntlichkeit seine eigentliche Stärke ist.“ (Joseph Ratzinger, Abschied vom Teufel?, in: ders., Dogma und Verkündigung, München 1973, S. 225-234, hier S. 233f.)

Ich folge hier eher Ratzinger. Denn die Bibel bringt Unsagbares bildhaft zur Sprache und bedarf der Deutung. Unsichtbare Wirklichkeiten soll man sich nicht zu primitiv vorstellen. Versuchungen kommen nicht mit Hörnern und Pferdefuß daher. Aber sie sind da.

 

Diabolisch oder symbolisch

Ja, es gibt das Destruktive, das Diabolische! Das aus Egoismus (auch aus Gruppen-, National-, Kulturegoismus) Zerstörerische kennen wir alle. Unser deutsches Wort „Teufel“ kommt vom griechischen „dia-bolos“ („Durcheinanderwerfer“). Er ist das Gegenteil vom „sym-bolos“ („Zusammenbringer“).  Die Versuchung zum Destruktiven taucht immer wieder auf. Aber wir müssen nicht „diabolisch“ handeln, wir können auch zu „symbolischen“ Menschen heranreifen, die auf Gott hinweisen, indem sie solidarisch leben, lieben lernen, heilen und Menschen zusammenführen …

 

Karl Veitschegger

 

Jesus - versucht wie wir

„Wir haben ja [in Jesus] nicht einen Hohepriester [=Vermittler zu Gott], der nicht mitfühlen könnte mit unseren Schwächen, sondern einen, der in allem wie wir versucht worden ist, aber nicht gesündigt hat.  (Hebräerbrief 4,15)

 

Gebet

„Führe uns nicht in Versuchung! – Wenn die Zeit der Bewährung kommt, lass uns nicht in Egoismus, Feigheit und Verzweiflung fallen. Aber wenn es geschieht, wenn du es zulässt, hol uns wieder heraus!“ (K.V.)

 

 

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