Karl Veitschegger

 

Hölle – was ist das? Statement aus katholischer Glaubenssicht


 

Verantwortung

Verdammter aus Michelangelos "Jüngstem Gericht" (Sistina)Wer glaubt, dass die Welt einen Sinn hat, kann nicht glauben, dass der Tod alles gleich macht, dass es – plakativ gesagt – egal sein soll, ob jemand wie Mutter Teresa oder wie Adolf Hitler gelebt hat. Paulus schreibt daher: „Wir alle müssen vor dem Richterstuhl Christi erscheinen, damit jeder seinen Lohn empfängt für das Gute oder Böse, das er im irdischen Leben getan hat.“ (2 Korinther 5,10)

 

Begegnung

Nach christlicher Überzeugung begegnet jeder Mensch im Tod Jesus Christus. Er ist der lebendige Maßstab wahrer Menschlichkeit. Im Blick auf ihn erkennt jeder Mensch, was sein Leben wirklich ist, wo es gelungen ist und wo es „danebengegangen“ ist. Das ist mit dem biblischen Bild vom „Gericht“ gemeint. Jesus Christus ist aber zugleich Gottes Barmherzigkeit und Vergebung. Wer die Sünde aufgegeben hat und versöhnt mit Gott stirbt, wird mit ewigem Glück beschenkt, er kommt „in den Himmel“.

 

Läuterung

Auch ein Mensch, dem zum Zeitpunkt seines Todes noch manch Böses anhaftet, kann sein ewiges Glück finden, wenn er in seinem Innersten für Gott offen ist. Gott wird ihn von den Resten des Bösen befreien. Katholischer Glaube nennt diesen schmerzhaften, aber heilsamen Vorgang „Reinigung“ oder „Läuterung“, kirchenlateinisch: „Purgatorium“. Im Deutschen gibt es dafür auch das missverständliche und häufig missbrauchte Wort „Fegefeuer“. („Fegen“ ist der norddeutsche Ausdruck für „reinigen". Und ähnlich wie Gold im Feuer gereinigt wird, kann der Mensch – so der recht verstandene Sinn des Wortes – durch die Liebe Gottes gereinigt werden.)

 

Verstockung

Aber was ist, wenn ein Mensch schwer gesündigt hat und sein destruktives Verhalten nicht bereut? Wenn er zu stolz und selbstgerecht ist, zuzugeben, dass er das Glück anderer zerstört hat? Wenn er sich von Gottes Liebe nicht erlösen lassen will?

Wer an seiner Sünde bis zum bitteren Ende festhält, sie also nicht auf-geben und her-geben will, dem kann sie auch nicht ver-geben werden, „weder in dieser noch in der zukünftigen Welt“ (Matthäus 12,32). Er bleibt in seiner Sünde ewig gefangen. Wer Gottes Liebe endgültig abweist, verdammt sich selbst. Denn ohne Gott gibt es kein Glück, auch keinen Frieden und keine Ruhe. Diese Situation nennt die Bibel „Gehenna“, wir übersetzen das traditionell mit „Hölle“. Eindrucksvoll zeigt ein Ausschnitt aus dem „Jüngsten Gericht“ von Michelangelo (siehe oben!), was Hölle meint: Ein „Verdammter", der verzweifelt auf sein misslungenes Leben starrt. Er blickt nicht zu Christus auf. Er hält stur an seiner „Sichtweise" fest. Und gerade deshalb ist seine Situation „aussichtslos" – ohne Aussicht, ohne Hoffnung für immer. Das ist das schreckliche Gesicht der Verstockung.

 

Bilder

Die Bibel verwendet verschiedene Ausdrücke für den Zustand der Verdammnis: „Gehenna" (leitet sich vom verrufenen Hinnom-Tal, dem Abfallplatz bei Jerusalem, ab), „wo der Wurm nicht stirbt und das Feuer nicht erlischt“ (Markus 9,48); „äußerste Finsternis, wo man heult und mit den Zähnen knirscht“ (Matthäus 8,12); „ewige Strafe“ (Matthäus 25,46); „zweiter Tod“ (Offenbarung 20,14); „Feuersee“ (Offenbarung 20,15) usw. Da etwas nicht zugleich ganz finster und voll Feuer sein kann, müssen diese biblischen Ausdrücke als bildhafte Rede, als Gleichnisse verstanden werden. Menschen mit sadistischen Phantasien waren dennoch immer wieder versucht, anderen „die Hölle heiß zu machen“ und ihnen die ewigen Qualen sehr detailliert vor Augen zu stellen. Leider haben „Höllenängste“ gerade unter sensiblen Menschen viel psychischen Schaden angerichtet. Gesünder sind wohl jene Christen und Christinnen, die sich fragen: Kann es eine ewige (endlose) Hölle geben? Kann Gott wollen oder zulassen, dass Menschen ewige Qualen leiden? Auch bekannte Heilige (z. B. Gregor v. Nyssa, Basilius v. Caesarea, Theresia vom Kinde Jesu usw.) stellten sich solche Fragen und hofften mehr oder weniger deutlich auf eine Art „Allversöhnung“ als letztes Ziel der Schöpfung. Hat nicht schon Paulus gelehrt, dass Gott sich am Ende „aller erbarmt“ (Römer 11,32), „damit Gott alles in allem sei“ (1 Korinther 15,28; vgl. auch Römer 16,25-27)?

 

Warnung

Katholischer Glaube sagt: Gott will, dass alle Menschen ewig glücklich werden (vgl. 1.Timotheus 2,4; Titus 2,11; 2 Petrus 3,9). „Denn Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, damit er die Welt richtet [verurteilt], sondern damit die Welt durch ihn gerettet wird.“ (Johannes 3,17). Die Botschaft Jesu ist keine Angstbotschaft, sondern eine Frohbotschaft: Jeder Mensch, auch wenn er ein noch so großer Sünder ist, kann das Heil finden, wenn er die Vergebung Gottes annimmt und umkehrt. Nur wer sich selbstgerecht der Liebe Gottes verschließt, wird von Jesus auch deutlich gewarnt: „Amen, das sage ich euch: Wenn ihr nicht umkehrt ..., könnt ihr nicht in das Himmelreich kommen.“ (Matthäus 18,3) Als Warnung spricht Jesus – er verwendet dabei Vorstellungen und Gleichnisse seiner Zeit – auch von der realen Möglichkeit der Hölle, aber er sagt damit nicht, dass tatsächlich ein Mensch in die Hölle kommen wird.

 

Hoffnung

Wer Jesus ernst nimmt, wird auch seine Warnung, die mit dem Wort „Hölle“ gemeint ist, ernst nehmen. Es ist nicht egal, wie wir leben. Unser Leben könnte sein Ziel auch verfehlen. Als Christen und Christinnen dürfen wir aber auch hoffen, dass letztlich kein Mensch so stur ist, Gottes heilende Liebe endgültig abzulehnen. „Die Kirche betet darum, dass niemand verloren geht.“ (KKK 1058) Wir dürfen hoffen, dass Gott auch ganz „hart gesottene“ Sünder und Sünderinnen zu erweichen vermag – auf Wegen, die wir jetzt noch nicht einmal erahnen. „Für Gott ist alles möglich.“ (Matthäus 19,26; KKK 1058).

KKK = Katechismus der Katholischen Kirche

Karl Veitschegger (Mai 2002)

 

 

Zum Weiterdenken

„Voller Hoffnung betet die Kirche, dass alle Menschen gerettet werden.“

Katechismus der katholischen Kirche 1821

 

„Wer die Liebe Gottes hartnäckig ablehnt, wird sie dadurch nicht los, aber er erfährt sie als schmerzhaft, wie ein dem Tageslicht entwöhnter Mensch das heitere und lebensnotwendige Sonnenlicht als etwas Unerträgliches und Feindliches erlebt (vgl. Joh 3,20). Das erlösende ,Komm zu mir!‘ (Mt 11,28) ist nur mehr als schreckliches ,Weg von mir!' (Mt 25,41) vernehmbar.“ Aber Gott hat wohl auch dann Möglichkeiten, die wir nicht kennen.

Karl Veitschegger

 

„Leichter ist es, in den Himmel zu kommen als in die Hölle, so groß ist die Barmherzigkeit Gottes.“

Hl. Johannes Maria Vianney, Pfarrer von Ars

 

„Wer, wie viele und ob überhaupt Menschen bis in den Tod einen radikalen Widerstand gegen die Liebe durchgetragen haben, entzieht sich unserem Wissen nicht nur zufällig, sondern prinzipiell. Wir sollen aber hoffen und beten, dass der allgemeine, sich auf jeden Menschen erstreckende Heilswille Gottes bei allen zum Ziel kommt.“

Kardinal Ludwig Gerhard Müller, von 2012 bis 2117 Präfekt der Kongregation für die Glaubenslehre

 

Die Assyrische Kirche des Ostens (vollständig: Heilige Apostolische und Katholische Assyrische Kirche des Ostens), eine Ostkirche syrischer Tradition, vertritt in ihrer Liturgie deutlich den Allversöhnungsgedanken.

 

 

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