Karl Veitschegger (2004/2005)

 

Heilige und „Heiligsprechungen“


 

Die Schar der Heiligen ist unzählbar groß, nur relativ wenige davon werden von der Kirche offiziell „heiliggesprochen“. Ihre Namen stehen stellvertretend für alle Menschen, die ein Leben der Gottes- und Nächstenliebe geführt haben und führen.

 

Gelebtes Evangelium

Wer eine katholische Kirche betritt, dem fallen sofort Bilder und Statuen von Heiligen auf. Den Gläubigen wird dadurch deutlich vor Augen geführt, dass die christliche Botschaft nicht nur gehört und schön gefeiert, sondern vor allem gelebt werden muss. Und die Heiligen sind der beste Beweis dafür, wie fruchtbar das Evangelium sein kann, wenn es im Glauben angenommen wird. Gott schenkt jeder Zeit „gelungene Menschen“. Keine Zeit blieb ohne solche Gestalten der Orientierung und Hoffnung.

 

Früher hießen alle Getauften „Heilige“

Der Apostel Paulus bezeichnete noch alle Getauften als „Heilige“, später nannte man nur mehr solche Männer und Frauen „heilig“ oder „selig“, die sich durch ihr Leben und Sterben als vorbildliche Christen bewährt hatten. Man war überzeugt, dass diese nun bei Gott „im Himmel“ leben und weiterhin voll Liebe für ihre Mitmenschen auf Erden Fürbitte einlegen. Besonders verehrt wurden in der christlichen Frühzeit die Märtyrer. Eine Schrift aus dem Jahr 156 bezeugt: „Christus beten wir an, weil er der Sohn Gottes ist, die Märtyrer aber lieben wir als Jünger und Nachahmer des Herrn.“ (Martyrium Polycarpi 17,3) Wandkritzeleien in Roms Katakomben (um 250) belegen, wie man die Heiligen um ihre Fürbitte anrief: „Petrus und Paulus, denkt an Sozomenos!“, „Petrus und Paulus, betet für Viktor!“

 

Verehrt, nicht angebetet

Katholische Christen und Christinnen unterscheiden sehr klar zwischen Anbetung Gottes und Verehrung der Heiligen. Anbetung gebührt Gott allein. Anbetung heißt: Gott als Gott verehren! Die Heiligen darf ein Christ nur als Menschen verehren, wie er z. B. auch seine Eltern ehren soll. Und wie man Eltern und andere Mitmenschen um ihr Gebet bitten darf, so darf man auch die Heiligen im Himmel um ihre Fürbitte angehen. Denn: „Viel vermag das inständige Gebet eines Gerechten.“ (Jakobus 5,16) Die Gläubigen auf Erden, die Verstorbenen im Zustand der Läuterung und die schon vollendeten Heiligen im Himmel bilden nach katholischer Überzeugung eine große Gemeinschaft in Christus, die füreinander betet und miteinander Gott lobt.

 

Heiligsprechung als „Qualitätskontrolle"

Leider kam es in der Heiligenverehrung auch zu Missbräuchen und Fehlern. Mitunter wurden auch Personen zweifelhaften Charakters als „Heilige“ verehrt. Die Kirche wollte solche „Fehlgriffe“ eindämmen und führte deshalb im Mittelalter die so genannten „Seligsprechungen“ und „Heiligsprechungen“ ein. Eine Art Qualitätskontrolle! Zuerst wurde diese von Bischöfen vorgenommen, später behielt sich der Papst das Recht der Selig- und Heiligsprechung vor. So ist es auch heute noch. Wird eine Person vom Papst „selig“ gesprochen, darf sie im Bereich einer Diözese oder eines Ordens öffentlich verehrt werden. Wird sie später auch „heilig“ gesprochen, darf sie in der ganzen Weltkirche offiziell als Vorbild und Fürbitter verehrt werden, dürfen Kirchen ihren Namen tragen usw. Bevor es aber soweit kommt, wird der Lebenslauf der betreffenden Person in einem eigenen Prozess von der „Kongregation für die Selig- und Heiligsprechungen“ in Rom gründlich auf seine Heiligmäßigkeit geprüft. Das heißt nicht, dass nur solche Menschen selig bzw. heiliggesprochen werden könnten, die zeitlebens keine Fehler gemacht hätten. Es heißt vielmehr, dass sie ihr Leben – versöhnt mit Gott und ihren Mitmenschen – in christlicher Reife vollendet haben.

 

Ein Wink von oben

Voraussetzung für Seligsprechung und Heiligsprechung ist außerdem jeweils ein gut bezeugtes Wunder, das auf die Fürbitte des vorgeschlagenen Seligen oder Heiligen geschehen ist, gleichsam als Zeichen „von oben“. Bei Heilungswundern werden Ärzte als Gutachter beigezogen. Nur bei Märtyrern ist dieses Wunder nicht nötig. Vorschläge für Seligsprechungen können beim zuständigen Bischof eingebracht werden. Er prüft den Vorschlag und sucht, falls er ihm zustimmt, in Rom um Einleitung eines Seligsprechungsprozesses an.

 

Heiligen-Boom unter Johannes Paul II.

Eine überraschend hohe Zahl von Selig- und Heiligsprechungen (rund 1.500) gab es unter Papst Johannes Paul II. (1978 - 2005). Er wollte damit zeigen, dass Menschen aus allen Völkern, Berufen, Familienständen heilig werden können. Die Namen im offiziellen Heiligenkalender der Kirche stehen stellvertretend für Millionen von Frauen, Männern, Müttern, Vätern, Seelsorgern, Ordensleuten, Jugendlichen, Kindern, die – meist verborgen – ein Leben der Gottes- und Nächstenliebe gelebt haben und leben. Niemand weiß, wie viel Segen von ihnen ausging und bis heute ausgeht.

 

(Leicht veränderte Wiedergabe eines Beitrages für „du + wir", Pfarrblatt für den Pfarrverband Eibiswald, St.Lorenzen und Soboth, Mai/Juni 2004)

 

Karl Veitschegger (2004/2005)

 

Zitate zum Weiterdenken

 

Ein Heiliger ist ein Mensch im Vollbesitz seiner Menschlichkeit."

Thomas Merton

 

„Nicht alles, was ein Heiliger sagt, ist dem Evangelium vollkommen treu, nicht alles, was er tut, ist authentisch oder perfekt. Was wir betrachten müssen, ist die Gesamtheit seines Lebens, […] jene Gestalt, die etwas von Jesus Christus widerspiegelt […].“

Papst Franziskus (Gaudete et exsultate 22)

 

„Es gibt Zeugnisse [großer Heiliger], die als Anregung und Motivation hilfreich sind, aber nicht als zu kopierendes Modell. Das könnte uns nämlich sogar von dem einzigartigen und besonderen Weg abbringen, den der Herr für uns vorgesehen hat. Worauf es ankommt, ist, dass jeder Gläubige seinen eigenen Weg erkennt und sein Bestes zum Vorschein bringt, das, was Gott so persönlich in ihn hineingelegt hat, und nicht, dass er sich verausgabt, indem er versucht, etwas nachzuahmen, das gar nicht für ihn gedacht war.“

Papst Franziskus (Gaudete et exsultate 11)

 

„Es steht geschrieben (Ex 22,30): »Heilige Menschen sollt ihr mir sein.« Der Kozker übertrug: »Menschlich heilig solltet ihr mir sein.«"

Chassidische Erzählungen

 

A saint isn't someone who never falls, a saint is a person who falls a 100 times and gets up a 100 times."

Autorschaft unbekannt

 

Zu meinem Artikel Heiligenverehrung aus katholischer Sicht

Wie wird man ein/e Heilige/r? – Ein kurzer Überblick über das Selig- und Heiligsprechungsverfahren der katholischen Kirche von Breitsching Konrad

Heiligsprechungen – Hier haben Laien das Sagen

Der lange Weg zur "Ehre der Altäre"

Papst Franziskus ändert Regeln für Selig- und Heiligsprechungen

Liste österreichischer Heiliger/Seliger: http://www.aeiou.at/aeiou.encyclop.h/h367010.htm

 

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