Karl Veitschegger (2023)

 

Fronleichnam: sieben Fragen & sieben Antworten

Fonleichnam – Eucharistie – Ökumene


 

Warum hat „Fronleichnam“ so einen seltsamen Namen?

Der Name stammt aus dem Mittelalter. „Fron“ (oder „vron“) nannten unsere Vorfahren einen „Herrn“ — das steckt auch im Wort „Frondienst“ — und „Leichnam“ hieß damals einfach „Leib“ und war noch nicht auf einen toten Körper eingeschränkt. „Fronleichnam“ bedeutet also schlicht „Leib des Herrn“. Damit ist das eucharistische Brot gemeint, das man an diesem Festtag besonders feierlich verehrt. Nichts Totes, sondern der auferstandene Herr Jesus, der in der Gestalt des Brotes gegenwärtig ist, steht im Mittelpunkt.

 

Hat das einen Ansatzpunkt im irdischen Leben Jesu?

Jesus hat sich am Abend vor seiner Hinrichtung mit einem engeren Jüngerkreis zu einem gemeinsamen Mahl getroffen. Das erzählen Paulus und die Evangelien. Bei diesem Mahl hat Jesus etwas getan, was bis heute in christlichen Gottesdiensten eine zentrale Rolle spielt. Paulus beschreibt das so: „Jesus, der Herr, nahm in der Nacht, in der er ausgeliefert wurde, Brot, sprach das Dankgebet, brach das Brot und sagte: Das ist mein Leib für euch. Tut dies zu meinem Gedächtnis! Ebenso nahm er nach dem Mahl den Kelch und sagte: Dieser Kelch ist der neue Bund in meinem Blut. Tut dies, sooft ihr daraus trinkt, zu meinem Gedächtnis!“ (1 Kor 13,23–25) Ähnlich erzählen das auch drei Evangelien, wobei die Jesusworte, die sie jeweils überliefern, voneinander abweichen.

 

Wir wissen also nicht genau, was Jesus beim Letzten Abendmahl gesagt hat?

Nein. Aber alle Quellen sind sich einig, dass Jesus beim Verteilen des Brotes von seinem „Leib“ und – nach dem Mahl – beim Reichen des Kelches von seinem „Blut“ gesprochen hat. Beides ist ein ungemein starker Ausdruck seiner Liebe und Lebenshingabe. Paulus und Lukas überliefern auch den Auftrag zur Wiederholung: „Tut das zu meinem Gedächtnis!“. Das meint in der Sprache der Bibel nicht bloß ein Erinnern an Vergangenes, kein nostalgisches Zurück, sondern ein „Vergegenwärtigen“: Immer, wenn ihr das so feiert, werde ich, wird mein Leben, wird meine Liebe unter euch gegenwärtig sein!

 

Feiern alle christlichen Kirchen dieses „Ritual“?

Ja, alle christlichen Kirchen pflegen bis heute diesen Brot- und Wein-Ritus Jesu, wenn sie – je nach Konfession – Eucharistie (Messe) oder Abendmahl feiern. Und alle Konfessionen bekennen, dass Jesus in diesen ihren Feiern wirklich gegenwärtig wird und die Mitfeiernden mit sich und untereinander verbindet.

 

Warum feiern dann nicht alle Kirchen dieses Mahl gemeinsam? Was trennt sie?

Über das „Wie“ der Gegenwart Jesu gibt es verschiedene Auffassungen. Katholischer und orthodoxer Glaube bekennt: Jesus wird in den Gestalten von Brot und Wein unsichtbar, aber real gegenwärtig; was bei der Kommunion genossen wird, ist sein Leib und Blut; er gibt sich selbst zur Speise. Dem kommt auch Luthers Deutung sehr nahe. Weniger „realistisch“ sehen das die Reformatoren Zwingli und Calvin. Erst 1973 haben sich die protestantischen Kirchen Europas auf eine gemeinsame Formel geeinigt: „Im Abendmahl schenkt sich der auferstandene Jesus Christus in seinem für alle dahingegebenen Leib und Blut durch sein verheißendes Wort mit Brot und Wein.“ (Leuenberger Konkordie)

 

Klingt das nicht alles zu kompliziert …?

Ja, für Menschen, die nicht Theologie studiert haben, klingen Diskussionen um das „Wie“ der Gegenwart Jesu kompliziert. Viele wünschen sich einfach, dass Gläubige aller christlichen Konfessionen gemeinsam zum „Tisch des Herrn“ gehen dürfen. Ich wünsche mir das auch. Die Differenzen der Konfessionen im Kirchen- und Amtsverständnis sind für katholische und orthodoxe Kirchenführer aber derzeit noch zu groß, um das ihrerseits allgemein gutzuheißen. Ausnahmen gibt es allerdings schon.

 

Gibt es Hoffnung auf offizielle Einheit am „Tisch des Herrn“?

Ja, ich hoffe immer. Die Theologie sieht gute Wege. Die Hierarchie zögert noch. Viele Menschen folgen einfach ihrem Gewissen. Auch Papst Franziskus setzte ein prophetisches Zeichen der Hoffnung, als er 2015 der lutherischen Gemeinde in Rom ausgerechnet einen Abendmahlskelch schenkte. Die gemeinsame Feier der Eucharistie bleibt ein zentrales Ziel der Ökumene.

 

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