Karl Veitschegger (Weihnachten 2016)

 

Stichwort „Feiertage“: 4 Fragen & 4 Antworten

 

Interview in „zeit+schrift“ (Graz, Dezember 2016)


 

1.     Brauchen wir Feiertage?

 

„Wer immer nur schuftet, wird zum Schuft.“ Ein grobes, aber goldrichtiges Wort aus dem Mund einer betagten Arbeiterin. Feiner ausgedrückt: Zum würdigen Menschsein gehören nicht nur Arbeit und Geld-Verdienen, sondern auch Erholung, Besinnung, Feiern: Unterbrechung des Alltäglichen und Nützlichen, um der „Qualität“ des Lebens nachzuspüren. Sonntage und Feiertage bieten die Chance dafür. Der biblische Wochenrhythmus mit zumindest einem freien Tag hat sich als weises „Ideal“ bewährt, auch wenn es immer nur lückenhaft erreichbar ist und von wirtschaftlichen Interessen angefochten bleibt. Klar ist: Wer beruflich immer „online“ ist, macht sich kaputt – und nicht nur sich, sondern oft auch die Beziehung zu „seinen Lieben“.  Wer keine Zeit für Freunde hat, hat mit der Zeit keine Freunde mehr. Feiertage schützen vor Fremd- und Selbstausbeutung, ermöglichen Raum und Zeit für das, woraus wir letztlich leben. Religiöse Menschen haben dabei auch Gott im Sinn.

 

 

2.     Feiertage stehen fix im Kalender. Sollte sich nicht jeder seine Feiertage selbst wählen können?

 

Ja, wenn es nur ums Chillen und um persönliche Freizeitgestaltung geht, ist das okay! Urlaubstage fallen in diese Kategorie. Aber für das gelingende Miteinander von Familien, Freundeskreisen, Vereinen usw. sind gemeinsam garantierte Ruhetage eine ganz wichtige Sache. Vermutlich auch für eine Gesellschaft als Ganze. Schon auf der Ebene des rein Pragmatischen zeigt sich: Geburtstagspartys, Vereinsfeiern, auch große Events werden meist an Wochenenden oder Feiertagen angesetzt, weil da eben die meisten Menschen „frei haben“. Und es gibt Feste, die brauchen ihren festen Termin, weil sie zum Gelingen auch Gemeinschaft, gemeinsame Einstimmung und Vorbereitung brauchen. Weihnachten wäre ruiniert, würde es der eine am 1. Juni, der andere am 17. Juli, wieder ein anderer am 24. Dezember feiern. „Es muss feste Bräuche geben, damit das Herz weiß, wann es da sein soll“, heißt leicht abgewandelt ein Wort von Antoine de Saint-Exupéry. Vor allem religiöse Feste leben davon.

 

 

3.     Von 13 gesetzlichen Feiertagen in Österreich sind elf christlich. Passt das heute noch?

 

Feiertage haben ihre Geschichte und gehören zur Kultur eines Landes. Österreich ist ein christlich geprägtes Land, auch wenn das Recht auf Religionsfreiheit, das wir bejahen und verteidigen, die religiöse Landschaft bunter und wechselhafter gemacht hat. Und da wird sich noch manches bewegen. Derzeit gehören rund zwei Drittel der Bevölkerung einer christlichen Kirche an, auch ein großer Teil der „Konfessionslosen“ ist zumindest getauft und „kulturchristlich“. Geht es um Feiertage, werden auch manche, die sonst wenig mit Kirche zu tun haben, zu Verteidigern des „Christlichen“. Oft auch aus Angst vor dem Islam, häufig gepaart mit großem religiösen Unwissen. Die Fluchtbewegung macht religiöse Themen jedenfalls wieder virulent. Der deutsche Innenminister Maizière sagte dazu vor einem Migrationskongress: „Wir erlagen vielleicht einem Denkfehler: Wir dachten, die Bedeutung von Religion für das Zusammenleben nehme ab. Wir werden über Religion wieder mehr lernen müssen.“ Eines muss klar sein: Christliche Feiertage sind nie gegen Andersgläubige gerichtet! Auch wer nicht Christ oder nicht religiös ist, darf sich daran freuen. Aus Sicht der Kirche sind sie eine Einladung, im Sinne Jesu dem Leben auf den Grund zu gehen - und Gott zu feiern.

 

 

4.     Ist Weihnachten nicht schon total kommerzialisiert und ausgehöhlt? Was ist daran noch christlich?

 

Ich halte nicht viel von solchen Klagen, auch wenn die darin enthaltene Kritik manches trifft. Menschen lassen sich heute von niemandem mehr vorschreiben, wie sie feiern sollen. Andererseits sollen auch alle die Möglichkeit erhalten, sich näher mit dem Geheimnis des Festes zu befassen. Christen und Christinnen feiern zu Weihnachten die Geburt Jesu, der für sie das Licht der Welt ist. Aber auch viele Nichtchristen und Nichtreligiöse sehen in Jesus eine vorbildliche Gestalt. Umberto Eco z. B. nennt ihn „Modell der universalen Liebe, der Vergebung für die Feinde“. Aktueller denn je! Bischof Kapellari hat einmal sinngemäß gesagt: Das Licht, das durch das Kind von Betlehem in die Welt gekommen ist, ist stärker als Kitsch und Flitter, Weihnachtsrummel und Festtagskater. Es kann verdeckt werden, aber es ist nicht mehr auszulöschen. Weihnachten ist ein starkes Fest, nach wie vor. Spendenorganisationen wissen, dass zu Weihnachten die Herzen offener und gebefreudiger sind als sonst. Menschen denken sich besonders in dieser Zeit Geschenke für andere aus – oft mit viel Freude und Phantasie. Das  Zusammenstehen an den Glühweinständen zeigt, dass Menschen das Gespräch suchen und sich füreinander Zeit nehmen. Man kann daran vieles kritisieren, aber man kann in alldem auch etwas vom Glanz des Menschgewordenen aufblitzen sehen.

 

Karl Veitschegger

 

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