Karl Veitschegger

 

Katholisch? Evangelisch?

 

Was evangelische und katholische Kirche verbindet, was sie trennt. Skizze für Impulsreferat (1999/2002)


 

Die Glaubensspaltung während der Reformation des 16. Jahrhunderts teilte die abendländische Christenheit in eine katholische und evangelische. Seit einigen Jahrzehnten ist man wieder auf der Suche nach der Einheit. Dieses Bemühen nennt man Ökumenische Bewegung. In vielen Glaubensfragen blieb die Einheit trotz Spaltungen erhalten, in anderen wurde sie wieder entdeckt:

 

Vieles eint katholische und evangelische (lutherische) Gläubige:

 

der Glaube an Gott, an seinen gekreuzigten

und auferstandenen Sohn Jesus Christus, und an den Heiligen Geist

 

die Heilige Schrift als Wort Gottes

 

die Taufe und das „gemeinsame Priestertum" aller Getauften

 

der Glaube, dass wir von Gott geliebt und angenommen werden nicht aufgrund eigener Leistung, sondern allein aus Gnade

 

der Glaube, dass Gott durch den Hl. Geist unsere Herzen erneuert und uns zu guten Werken befähigt

der Glaube, dass Christus in der Eucharistie/im Abendmahl mit Leib und Blut wirklich gegenwärtig ist

Martin Luther (1483 - 1546) - seine Reformation führt zur Bildung der Evangelischen Kirche

 

der Glaube, dass Gott uns das ewige Leben schenken will

 

das Apostolische Glaubensbekenntnis, das „Große Glaubensbekenntnis" (der Konzile von Nikaia 325 und Konstantinopel 381), die Feier des Sonntags, viele Feste, Gebete, Lieder etc.

 

der vielfältige Einsatz für soziale Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung

 

Einheit in der Vielfalt möglich

 

Freilich gibt es auch viele Unterschiede. Aber nicht alles, was verschieden ist, muss die Kirchen trennen. Unterschiede in den Gottesdienstformen, in den theologischen Schwerpunkten und in den Kirchenordnungen (z.B. Priesterzölibat; Pfarrerehe) können auch eine gegenseitige Bereicherung sein. Die gewünschte christliche Einheit will diese bunte Vielfalt nicht beseitigen. Das Ziel der Ökumene ist nicht eine „uniforme Superkirche", sondern die „versöhnte Verschiedenheit" der Konfessionen in der einen Kirche.

 

 

Was wirklich (noch) trennt:

 

Im katholischen Kirchenverständnis ist der Papst der „Nachfolger des hl. Petrus“ und als solcher von Christus zum obersten Schlüsselträger und Hirten der Kirche bestimmt (vgl. Mt 16,18f; Joh 21,15-17). Diesen Anspruch lehnen die Evangelischen (und auch die Orthodoxen) ab.

 

Nach katholischer (und orthodoxer) Überzeugung erhalten die Geistlichen im Weihe-Sakrament (lateinisch Ordo, Ordinatio, deutsch meist mit Priesterweihe übersetzt) von Gott für immer eine besondere Prägung (vgl. 2Tim 1,6). Die Weihe bevollmächtigt sie zu einem Dienst, der sich von den Aufgaben und Diensten der übrigen Getauften wesentlich unterscheidet. Sie wird von Bischöfen, die auch ihrerseits wieder von Bischöfen geweiht worden sind, gespendet. Diese „Weihekette" lebendiger Zeugen verbindet die Bischöfe mit den von Jesus erwählten Aposteln und ist sichtbarer Ausdruck der Einheit der Kirche aller Zeiten und aller Orte. Die Bischöfe vollziehen ihr Amt als Nachfolger der Apostel (apostolische Sukzession).

Die Evangelische Kirche lehnt diese „sakrale" Sicht des geistlichen Amtes ab. Sie sieht im geistlichen Amt keine Weihe der Person, sondern „nur" eine (allerdings von Gott gewollte) Funktion, die die Gemeinde jemandem (unter Umständen auch nur für eine bestimmte Zeit) übertragen kann.

 

Nach katholischer (und orthodoxer) Lehre muss ein geweihter Priester der Eucharistiefeier vorstehen; nur er kann im Namen Jesu Brot und Wein konsekrieren. Nach evangelischer Auffassung kann im Prinzip jede/r Getaufte das Abendmahl leiten. Es besteht kein wesentlicher Unterschied zwischen der Vollmacht eines Pfarrers (Pastors) und der eines (nur) Getauften. Um Unordnung zu vermeiden, sollen jedoch auch nach vielen evangelischen Kirchenordnungen im Normalfall nur geistliche Amtsträger/innen dem Abendmahl vorstehen.

 

Katholischer (und orthodoxer) Glaube hält fest, dass Christus auch nach der Messe im eucharistischen Brot und Wein gegenwärtig bleibt (solange die Zeichen bestehen, enthalten sie Christi Gegenwart). Die konsekrierten Gaben können daher in der Kirche aufbewahrt, verehrt und bei Bedarf Kranken in die Wohnung gebracht werden. Für Evangelische wird das, was vom Abendmahl übrigbleibt, wieder zu gewöhnlichem Brot und Wein.

 

Die katholische (und orthodoxe) Kirche feiert sieben Sakramente, die evangelische Kirche erkennt nur Taufe und Abendmahl (Eucharistie) als Sakramente an (Trauung, Konfirmation, Übertragung des geistlichen Amtes etc. sind für sie nur Segnungen, aber keine Sakramente, weil sich dafür keine ausdrücklichen Einsetzungsworte Jesu in der Bibel finden).

 

Evangelische lehnen die Verehrung Marias und der Heiligen ab, weil sie befürchten, dass dadurch Gottes Ehre geschmälert wird. Katholische (und orthodoxe) Gläubige verehren in den Heiligen das vielfältige Wirken Gottes, der zu allen Zeiten Menschen in seinen Dienst berufen hat und durch sie wirkt. Die beiden katholischen Mariendogmen – besondere Erwählung („Rettung vor der Erbsünde") und Vollendung Marias („Aufnahme mit Leib und Seele in den Himmel") – sind nach evangelischer Ansicht unbiblisch. Katholischer Glaube sieht darin eine legitime und gottgewollte Entfaltung des biblischen Glaubens.

 

Das rechte Verständnis der Heiligen Schrift ist nach katholischer Lehre durch die ununterbrochene Glaubenstradition des Gottesvolkes und durch das kirchliche Lehramt (Konzile, Bischöfe, Papst) gegeben. Evangelischer Glaube hält die Hl. Schrift allein für klar genug, um daran alle Lehren zu überprüfen („Die Heilige Schrift legt sich selbst aus").

 

Die Gemeinschaft der Kirche spielt für katholisch Glaubende eine viel wichtigere Rolle als für Evangelische. Obwohl es in der Kirche auch viel menschliches Versagen gibt, bleibt sie nach katholischer Lehre umfassendes Sakrament des Heils, also Zeichen und Werkzeug der Liebe Gottes in der Welt.

 

 

Neue Unterschiede

 

In einzelnen Fragen der Ethik (z.B. Schutz des menschlichen Lebens, Sexualität, Ehe) entfernen sich evangelische Stellungnahmen in den letzten Jahrzehnten manchmal deutlich von jenen Normen, die früher allen Kirchen gemeinsam waren und für die katholische Kirche noch immer bestimmend sind. Aber trotz inhaltlicher Unterschiede erkennen alle Kirchen die Botschaft Jesu als oberste Norm an. Ebenso lehren alle, dass der einzelne Mensch immer verpflichtet ist, auf sein Gewissen zu hören und danach zu handeln.

 

 

Weg der Ökumene ist unumkehrbar

 

„Der Weg der Ökumene, den das Zweite Vatikanische Konzil [für die katholische Kirche] eröffnet hat, ist unumkehrbar. Er ist eine Aufgabe, die der Herr uns gestellt hat. Wir müssen daher alles uns Mögliche tun, um die Einheit der Christen in der Wahrheit und in der Liebe zu fördern."

Papst Johannes Paul II. (Brief an die deutschen Kardinäle, 22. Februar 2001)

 

„Eine echte Versöhnung zwischen den Christen wird sich verwirklichen lassen, wenn wir verstehen, wechselseitig die Gaben des anderen anzuerkennen, und fähig sind, demütig und aufmerksam voneinander zu lernen, ohne zu erwarten, dass zuerst einmal die anderen von uns lernen.“

Papst Franziskus (Predigt in der Ökumenischen Vesper am 25. Jänner 2017 in der römischen Basilika St. Paul vor den Mauern)

 

Karl Veitschegger (1999/2002)

 

(Diese Seite wurde schon mehrmals ganz oder teilweise kopiert – oft ohne meine Zustimmung. Hier ist das Original.)

 

 

www.oekumenischesforum.at

Ökumenischer Rat der Kirchen in Österreich

„Communio Sanctorum – Die Kirche als Gemeinschaft der Heiligen“ – Ergebnis des Lehrgespräches einer bilateralen Arbeitsgruppe im Auftrag der Deutschen Bischofskonferenz und der Kirchenleitung der VELKD.

Charta oecumenica (22.4.2001)

 

 

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