Karl Veitschegger
(Oktober 2000) Was lehrt „Dominus Iesus“? Diskussionsgrundlage für einen Kreis
kirchlicher Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter 1.Vorbemerkungen Das
Dokument
der Glaubenskongregation (GK) vom 6. August 2000 hat Irritationen ausgelöst.
Es war von „Beleidigung“, „römischer Arroganz“, „kalter Dusche für die
Ökumene“ etc. die Rede. Das
zentrale Problem „Wer ist Jesus im Konzert der Religionen?“ wurde kaum
wahrgenommen. Man hat sich in Europa fast nur auf die Problematik des 4.Teils
des Dokumentes gestürzt: „Wo ist die Kirche Jesu heute zu finden?“ „Ist jede
Konfessionskirche im Vollsinn Kirche?“ Das
Dokument ist kein Dogma und keine Enzyklika, sondern nur eine
Erklärung, die auch nicht vom Papst unterschrieben, wohl aber gutgeheißen
wurde. Das
Dokument will die katholische Lehre „erneut darlegen“, „Probleme erwähnen“
und „irrige und zweideutige Positionen zurückweisen“. 2. Anlass des Dokumentes 2.1.
Problematische zeitgenössische Meinungen und Hypothesen: Wahrheit
ist überhaupt nicht fassbar und aussprechbar – Relativismus: Was für die
einen wahr ist, muss für andere nicht wahr sein – Subjektivismus: Es gibt nur
innere Überzeugungen, aber keine objektive Wahrheit – Es gibt nichts Endgültiges
in der Geschichte (Warum soll nicht ein Besserer als Jesus kommen?) -
Eklektizismus (Mix aus allen Religionen) 2.2. Problematische Folgerungen (aus Sicht der GK): ·
Keine Religion,
auch Jesus selbst nicht, hat die Wahrheit von Gott voll erfasst. ·
Auch Jesus ist
unvollkommen und ergänzungsbedürftig. ·
Die Schriften
anderer Religionen sind wie die Bibel inspirierte Heilige Schrift. ·
Jesus ist eine
unter vielen Gestalten des göttlichen Mysteriums. ·
Das „ewige Wort
Gottes“ (Logos) ist universaler als Jesus von Nazaret. ·
Der Heilige
Geist wirkt überall, Jesus Christus nur begrenzt. ·
Es gibt viele
„gleichwertige“ Erlöser und Mittler zu Gott. ·
Die Einheit der
Kirche Jesu ging verloren, keine Kirche ist die wahre Kirche. ·
Die eine Kirche
Jesu ist die Summe aller christlichen Konfessionen. ·
Es geht nur um
das Reich Gottes, die Kirche ist unwichtig. 3. Kernaussagen des Dokumentes 3.1. Jesus
Christus - die Fülle der Offenbarung Es
gibt zwar auch in anderen Religionen Wahres und Heiliges (vera
et sancta), aber die Fülle der göttlichen Wahrheit ist in Jesus endgültig
und vollständig geoffenbart. Der
Mensch Jesus ist zwar begrenzt, dennoch ist in ihm – da er „wahrhaft Gott
und wahrhaft Mensch ist“ – das Heilsmysterium Gottes ganz und vollständig
geoffenbart. Die
entsprechende Antwort ist der Glaube. Der Glaube ist ein Geschenk der
Gnade. Dieser Glaube ist zu unterscheiden von „inneren Überzeugungen
in den anderen Religionen“. Die
Kirche gebraucht „die Bezeichnung inspirierte Schriften nur für die
kanonischen Bücher des Alten und Neuen Bundes“. Aber auch die heiligen Bücher
anderer Religionen enthalten „Elemente des Guten und der Gnade“, die sie dem
Mysterium Christi verdanken. 3.2. Das Wirken
Gottes, Jesu Christi und des Heiligen Geistes sind nicht trennbar Jesus
ist nicht nur eine unter vielen Gestalten des Göttlichen oder eines unter
vielen Gesichtern des Logos, sondern „der Sohn und das Wort des
Vaters“. „In ihm allein wohnt die ganze Fülle der Gottheit.“ (Kol 2,9) Der
ewige Logos ist kein anderer als der in Jesus Fleisch gewordene Logos.
„Dieser ist das Wort Gottes, das für das Heil aller Mensch geworden
ist.“ Auch
der Heilige Geist wirkt nicht außerhalb oder neben Christus (gleichsam dort,
wo Christus nicht bekannt ist). Der Heilige Geist ist immer Geist Jesu
Christi. So wirkt der auferstandene Christus nicht nur in den
Christgläubigen, sondern in „allen Menschen guten Willens, in deren Herzen
die Gnade unsichtbar wirkt“. Es
gibt Heilsmöglichkeit für alle Menschen, weil der Heilige Geist
alle Menschen – „in einer Gott bekannten Weise“ –
mit der in Christus geschehenen Erlösung verbindet. 3.3. Jesus
Christus - der Heiland für alle Jesus
Christus ist der einzige Erlöser. Menschwerdung, Tod und Auferstehung
sind ein für alle Mal für das Heil aller Menschen geschehen. Die
Theologie soll erforschen, wie die anderen Religionen zum Heilsplan Gottes
gehören. Die Einzigkeit der Mittlerschaft Christi schließt „andere
Mittlertätigkeiten verschiedener Art und Ordnung“ nicht aus. Diese haben
ihren Wert allerdings allein durch die Teilhabe an Christus. 3.4. Es gibt nur
eine Kirche Jesu Christi Kirche
und Christus sind untrennbar verbunden wie Leib und Haupt. Es kann nur eine
Kirche Jesu Christi geben. Diese
eine Kirche ist in der katholischen Kirche verwirklicht (subsistit), weil in ihr alle wesentlichen
Elemente des Kirche-Seins gegeben sind, vor allem auch jene Elemente, die
anderen Kirchen und Gemeinschaften fehlen: das Petrusamt, die
apostolische Nachfolge der Bischöfe und die vollständige Wirklichkeit
der Eucharistie. Kirchen,
welche Eucharistie und Bischofsamt voll bewahrt haben, (gemeint sind
besonders die Ostkirchen) sind „echte Teilkirchen". Die anderen (gemeint
sind die Protestanten) sind „nicht Kirchen im eigentlichen Sinn“. Die
getrennten Kirchen und Gemeinschaften sind „Mittel des Heils“, weil sie an
der Fülle der einen katholischen Kirche teilhaben. 3.5. Christus,
Kirche und Reich Gottes gehören zusammen Kirche
ist Zeichen und Werkzeug, Keim und Anfang des Reiches Gottes. Kirche
und Reich Gottes sind nicht zu trennen, aber Reich Gottes ist nicht auf die
sichtbaren Grenzen der Kirche beschränkt. Man
soll zugunsten des Reiches Gottes nicht Christus und die Kirche verschweigen. 3.6. Kirche und
Religionen im Blick auf das Heil Kirche
ist „zum Heil notwendig“, sie ist durch Christus „das allumfassende
Heilssakrament“. Menschen,
„die nicht formell und sichtbar Glieder der Kirche sind“, können dennoch
durch die Gnade Christi im Heiligen Geist „geheimnisvoll mit ihr verbunden“
sein. Die
Gleichheit
im Dialog mit anderen Religionen
heißt gleiche Personwürde der Dialogpartner, aber
nicht gleiche Wahrheit aller Religionen oder die Gleichheit Christi mit
anderen Religionsgründern. Die
katholische Kirche ist „die einzig wahre Religion“ mit dem Auftrag zur
Mission. „Die christliche Offenbarung wird in der Geschichte der wahre Leitstern für die ganze Menschheit bleiben.“ 4. Kritische Anmerkungen und Fragen aus meiner Sicht War
diese Sprache der Abgrenzung, diese Betonung des Trennenden (z.B. werden
interreligiöse Gebetstreffen und ökumenische Fortschritte nicht gewürdigt) wirklich
notwendig? Muss
die katholische Kirche, um zu definieren, was sie ist, auch definieren, was die anderen Kirchen und
christlichen Gemeinschaften nicht sind? Oder darf man manches offen lassen?
Warum wird nicht berücksichtigt, wie die „Anderen“ sich selbst einschätzen? Vielleicht
sind wir den anderen Kirchen und christlichen Gemeinschaften doch näher, als
sie und wir bis jetzt wahrgenommen haben (historische Beispiele für
Erkenntnisfortschritt: altorientalische Christuslehre und Luthers
Rechtfertigungslehre werden heute offiziell nicht mehr als „un-katholisch“ beurteilt.)? Andererseits
kann es durchaus heilsam sein, zwischen den Kirchen bestehende Widersprüche
und Klüfte zu benennen (z.B. in den Bereichen Wesen der Kirche, Eucharistie,
geistliches Amt, Petrusdienst). Harmoniesucht und „ökumenische Schummeleien“
schaden echter Einheit. Was
lernen wir aus dem Dokument und den Reaktionen darauf? Karl Veitschegger (Oktober
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