„Der
Reichtum der Kirche sind ihre Menschen“ Referat auf der Steirischen Pfarrerwoche 2016 Darf man das so
sagen? Oder fallen wir mit dem Titel dieser Pfarrerwoche in einen billigen
Horizontalismus, der nur die menschliche Seite der Kirche im Auge hat? Mit
Recht wurde von einigen kritisch nachgefragt: Der Reichtum der Kirche – ist
das nicht Jesus Christus, sind das nicht die Hl. Schrift und die Sakramente?
– Jeder von uns wird dies bejahen. Aber ist es falsch zu sagen: „Der Reichtum
der Kirche sind ihre Menschen“? Ich bin überzeugt: Wir dürfen das sagen. Nicht aus Gottvergessenheit
und menschlicher Überheblichkeit heraus, sondern aus guten theologischen
Gründen. Die Menschen sind der Reichtum der Kirche, weil sie der Reichtum Gottes
sind, sein geliebter Schatz. Wir wissen: Menschen sind schwach, sie
sündigen, ignorieren und verfehlen ihre Berufung, verludern ihre Würde,
verlieren sich in Nichtiges und verkaufen sich an fremde Herren und Götzen.
Die Bibel verwendet für diese prekäre Situation das antike Bild der
Schuldsklaverei. Gott aber, so bezeugt die Heilige Schrift, hört nicht auf,
die Verlorenen und Verkauften zu lieben und zu suchen. Er kauft sie frei aus
dem Verhängnis ihres sinnlosen Lebens (vgl. 1 Petr 1,18) – mit dem Liebsten
und Kostbarsten, was er hat: mit dem Leben seines Sohnes. Der Menschensohn
ist gekommen, um „sein Leben hinzugeben als Lösegeld für viele“ (Mk 10,45).
Und damit kein Zweifel besteht, wer damit gemeint ist, fügt das
Missionsdekret des Konzils erklärend hinzu: „für die vielen, das heißt für
alle“ (Ad gentes 3). Diese biblischen Bilder
sagen: Trotz unserer Hinfälligkeit sind wir Menschen – alle und jeder und
jede von uns – ein Schatz, für den Gott bereit ist, alles zu geben, sogar das
Leben seines Sohnes. „Um einen teuren Preis seid ihr erkauft!“(1 Kor 7,23) Darum können wir mit vollem Recht über diese Pfarrerwoche den Satz
schreiben: „Der Reichtum der Kirche sind ihre Menschen“. Vielleicht ist das „ihre
Menschen“ zu einschränkend, zumindest dann, wenn man darunter nur die
Priester und Kircheninsider verstünde. Deshalb könnten wir auch sagen: „Der
Reichtum der Kirche sind die Menschen“, und hinzufügen: „weil
sie der Reichtum Gottes sind.“ Was heißt das für unsere Seelsorge? Der Paderborner Pastoraltheologe Herbert Haslinger hat in einem
Artikel in der Augustnummer der Herder Korrespondenz (8/2016) geschrieben: „Zu vielen
kirchlichen Funktionsträgern mangelt es an einer Grundsympathie für die
Menschen. Etwas umgangssprachlicher formuliert: Man spürt in ihrem Reden
und Verhalten, dass sie die Menschen nicht wirklich gern
haben.“ Ich habe mich zuerst gegen diese Aussage gewehrt, aber mir ist der
Artikel dann doch nachgegangen. Ich habe mich gefragt: Reden wir, wenn wir
über Seelsorge sprechen, nicht tatsächlich oft abschätzig über „die Menschen
von heute“? Sie seien „oberflächlich“, „konsumorientiert“, „ohne
Glaubenstiefe“ „gottvergessen“, „bindungsunfähig“. Und wir als Kirche seien
für sie ohnedies nur ein Art „Partyservice“ zur
Verschönerung ihrer Familienfest usw. Natürlich hat das auch Wahrheitsgehalt,
aber wir sagen es doch oft lieblos und mit einer großen Portion
Selbstmitleid. Wir sind
enttäuscht, dass die Menschen, mit denen wir real zu tun haben, nicht unseren
Erwartungen entsprechen, dass sie nicht jene Menschen sind, für die wir
gerne da sein würden. 1. Seelsorge: „Die Menschen gern haben“ Wir sind gewohnt, mit pastoralem Pathos zu sagen: Wir stehen im Dienst
der Menschen. Im konkreten Alltag fühlen wir uns dann aber doch manchmal müde
und ausgenutzt und wir verstehen den sprichwörtlichen Wiener Grantler, der
sagt: „Die Menschen mog
i schon, aber die Leit san
ma zwida.“ (Das ist
eine Abwandlung des Nestroy-Zitates: „Der
Mensch is gut - aber die Leit
san a Bagasch.“) Auf Facebook fand ich folgende Lebensweisheit gepostet: „Umgib dich
mit Menschen, die dir wichtig sind und dir gut tun.
Alle anderen sind nur Energiefresser.“ Da ist natürlich viel Wahres dran, vor
allem dann, wenn man – und darauf hat jeder Mensch ein Recht! – Ruhe und
Erholung sucht. Aber für die alltägliche Seelsorge darf diese
„Lebensweisheit“ nicht zur Maxime werden. Das Jahr der Barmherzigkeit erinnert alle Christenmenschen, aber
besonders auch die in der Seelsorge Tätigen an jenes Werk der Barmherzigkeit,
das zu den schwierigsten zählt: „Lästige geduldig ertragen.“ Gott mutet uns
in der Seelsorge alle Arten von Menschen zu, auch aus solchen Milieus, deren
Umgangston und Verhalten uns fremd und unsympathisch sind. Er mutet sie
unserer pastoralen Liebe und Klugheit zu. Er ist jener Gott, zu dem wir im
Tagesgebet vom 6. Sonntag nach Ostern beten: „Gott, du liebst deine Geschöpfe, und es ist deine Freude, bei den
Menschen zu wohnen.“ Das Schlimmste, was man über einen Seelsorger sagen kann ist: „Der mag die Leute nicht.“ Wenn das
eintritt, sind Hilfsmaßnahmen fällig. Hier müssen wir einander stützen. Das ist mir durch den Haslinger-Artikel wieder bewusst geworden:
Spirituelle Aufbrüche, neue Ideen, pastorale Initiativen aller Art sind nur
dann authentisch, wenn sie aus dem Wunsch kommen, „die Menschen gern zu
haben“. Darin besteht auch der Elchtest der Christusliebe. Wenn Liturgie, Spiritualität und pastorales
Planen uns nicht offener, kommunikativer, menschlicher, barmherziger machen,
dann dienen wir, wie Papst Franziskus zu sagen pflegt, nur einer Idee von
Christus, einem „Christus ohne Leib“,
aber nicht dem Menschgewordenen. 2. Seelsorge: Amoris Laetitia als Inspiration Das nachsynodale Schreiben Amoris laetitia hat innerkirchlich
für manche Aufregung gesorgt. Enttäuscht sind jene („links“ und „rechts“),
die sich eine knappe oder, wie sie sagen, „klare“ Antwort auf die Frage
erwartet haben: Ist der Sakramentenempfang für
wiederverheiratete Geschiedene (die nicht „wie Bruder und Schwester“
zusammenleben) nun erlaubt oder nicht? – Mich hätte gewundert, hätte sich der
Papst in seiner Antwort kasuistisch festnageln lassen. Das ist nicht seine
Art, pastorale Dinge zu sehen und zu lösen. Vieles an ihm erinnert mich an
die Lehrweise Jesu, der die Fragen der Schriftgelehrten (z. B. die Frage, ob
man dem Kaiser Steuern zahlen dürfe oder nicht) nicht einfach mit ja oder
nein beantwortet. Jesus geht ihnen nicht auf den Leim, bietet keine „glatte
Lösung“ an. Manche Zuhörer empfinden seine Antworten als ausweichend. Aber
eigentlich setzt er nur tiefer und grundsätzlicher an, wenn er durch eine
Gegenfrage oder eine offene Antwort auf bisher zu wenig Beachtetes aufmerksam
macht. Ich behaupte, wie ich es auch schon im Priesterrat und Diözesanrat
getan habe: Wer Amoris laetitia mit offenem Herzen liest, ruhig
meditiert und durcharbeitet, versteht die Grundanliegen des Papstes, auch das
achte Kapitel und die Fußnoten 329, 336 und 351. Wer dies tut, wird nicht für
jeden Einzelfall die glatte Sofort-Lösung parat haben, wird in der Begleitung
Betroffener vielleicht zwischendurch etwas ratlos sein. Aber er wird beachten,
dass sicher nicht alle Betroffenen Todsünder sind. Er wird feststellen, dass
Menschen sehr begrenzt sind in ihrer Fähigkeit, das Gute (voll) zu erkennen,
und, selbst wenn sie es erkannt haben, es in verzwickter Situation (voll) zu
verwirklichen. Ultra posse nemo obligatur.
(Niemand ist über sein Können hinaus moralisch verpflichtet.) Gerade, was das
posse betrifft, gilt es auch das
Gewissen der Betroffenen sehr ernst zu nehmen und gut zu unterscheiden. Im
Vertrauen auf die Barmherzigkeit Gottes wird sich dann ein verantwortbarer
Weg auftun. Barmherzigkeit darf auch riskant sein, meint der Papst. Zwei „Lösungen“ sind nicht im Sinn des Papstes: das bloße Durchwinken
zu den Sakramenten und die absolut verschlossene Tür. Die Worte, die der Papst über das achte Kapitel schreibt, sind
Leitworte für die Seelsorge überhaupt: Die Zerbrechlichkeit begleiten –
unterscheiden – eingliedern. Das Ziel ist immer die Eingliederung. Ich mache hier auch auf die Behelfe und Materialien in unserem Intranet und auf unseren Studientag mit Kardinal Schönborn
am 28. November aufmerksam. Das Familienreferat und das Team im Pastoralamt
stehen natürlich auch für Auskünfte, Beratungen und Referate zur Verfügung. 3. Seelsorge: Qualität der Begegnungen Manche meinen, Amoris laetitia komme um einige Jahrzehnte zu
spät – zumindest in unseren Breiten. Die meisten Menschen mit veritablen
Lebens- und Beziehungsproblemen kämen gar nicht mehr auf die Idee, Priester
oder andere Pastoralprofis aufzusuchen. Vermutlich ist das so. Und ehrlich
gesagt, wäre es auch gar nicht möglich, alle Menschen in unserem Land
flächendeckend zu „beseelsorgen“. Gott sei Dank
erwarten die Menschen das nicht von uns und kommen in vielen Dingen ihres
Lebens, auch in Krisen, ganz gut ohne Pastoralprofis zurecht. Aber – und jetzt kommt etwas, das mir sehr wichtig scheint: Wenn sich
jemand an „die Kirche“ wendet, wenn jemand mit einem Seelsorger/einer
Seelsorgerin zu tun hat, dann soll das eine Begegnung von hoher menschlicher
und pastoraler Qualität sein. Er muss keinem Wunderwuzi
begegnen, aber er soll die Chance haben, einem freundlichen, empathischen,
halbwegs reifen und klugen Christenmenschen zu begegnen. Ich denke, dass
wäre eine gute Maxime für die Seelsorge und auch für die Personalpolitik der
Diözese. Ich freue mich immer, wenn ich Menschen treffe, die sagen: Ich habe
nicht sehr oft etwas „von euch“ gebraucht, aber wenn ich etwas mit euch zu
tun gehabt habe, war ich eigentlich immer sehr zufrieden. Oder ein anderes Beispiel: Die persönliche Beichte werden wir in
unseren Breiten nicht durch Einschärfen von Kirchengeboten beleben, sondern
nur durch die guten Erfahrungen einzelner. Diese erzählen dann ihre Erfahrung
weiter: Mund-zu-Mund- und Herz-zu-Herz-Propaganda! In der Qualität der Begegnung sehe ich eine große Chance für die
Seelsorge. Das kann sich langfristig freilich dann auch wieder in
erfreulichen Zahlen niederschlagen. Aber setzen wir bei der Qualität an. 4. Milieusensible Seelsorge „Milieusensible Seelsorge“ – das ist kein Zauberwort, aber ein
gutes Instrument für die Pastoral, um die verschiedenen Lebenswelten der
Menschen heute besser verstehen zu können. Wir haben in unserer Diözese ein
Team von Trainern und Trainerinnen, von denen man die Handhabung dieses
Instrumentes lernen kann. Koordinatorin und Ansprechperson dafür ist meine
Stellvertreterin Barbara Krotil. Ich hoffe, dass uns der Hauptreferent dieser Fortbildungswoche, Dr.
Tobias Kläden von der Katholischen
Arbeitsstelle für missionarische Pastoral in Erfurt, hilft, verschiedene
Milieus, gerade auch solche, die mit Kirche weniger am Hut haben, genauer
anzuschauen, sie besser zu verstehen, sie als „Reichtum der Kirche“ zu
entdecken und auch von Menschen uns fremder Milieus zu lernen und sie in
Zukunft vielleicht sogar ein bisschen mehr zu mögen. 5. Seelsorge: „Lebendige Pfarren“ Papst Franziskus ist ein Verfechter der Pfarrseelsorge. Das wurde
schon in Evangelii gaudium 28 deutlich. Ende Juli bekräftigte er das in
seinem Treffen mit den polnischen Bischöfen. Er sagte, Pfarren seien
„unersetzlich“ und die Pfarre bleibe „das Haus des Volkes Gottes“ (Radio
Vatikan 28. 07. 2016). Auch Bischof Wilhelm hat bald nach seinem Amtsantritt klargestellt,
dass es nicht sein Bestreben ist, Pfarren aufzulösen (außer sie wollen das
selbst). Dennoch fragen viele besorgt: Wie wird es weitergehen mit unseren
steirischen Pfarren? Was geschieht, wenn auf einen Pfarrer immer mehr Pfarren
kommen? Wie kann die örtliche Gemeinschaft von Gläubigen effektiv Kirche
sein, wenn kein Priester und keine hauptamtliche Seelsorgeperson im Ort
wohnen. Kann auch eine solche Pfarre spürbares Zeichen und Werkzeug der Liebe
Gottes für die Menschen vor Ort sein? -
Was
macht die Lebendigkeit einer Pfarre aus? -
Und
was ist dabei unverzichtbar und sollte in keiner Pfarre, unabhängig
von ihrer Größe und Eigenart, fehlen? Mit diesen beiden Fragen haben sich, angeleitet vom Team des
Pastoralamtes, über 100 Personen, die meisten davon selbst Seelsorger und
Seelsorgerinnen, in verschiedenen pastoralen Gremien und in drei großen
Workshops, zu denen alle Priester, Diakone, Pastoralassistentinnen und
Pastoralassistenten eingeladen waren, beschäftigt. Begonnen hat dieser
Prozess schon unter meinem Vorgänger Johannes Freitag, dem hier auch Dank
gesagt sein soll. Wir haben in diesem Prozess also „Lebendigkeitskriterien“ und „Unverzichtbarkeitskriterien“
erarbeitet. Als theologisches Ordnungsprinzip dienten die vier vertrauten
Grundvollzüge kirchlichen Lebens: Martyria (Verkündigung und
Glaubenszeugnis), Leiturgia (Gottesdienste
und Feiern), Diakonia (gelebte Nächstenliebe) und Koinonia
(Leben als Gemeinschaft). Es wurde in den Workshops mehrmals gewünscht, Lebendigkeit nicht nur
von der Häufigkeit der Eucharistiefeier her zu denken, und es wurde auch ein
starker diakonaler Akzent gefordert. Entstanden ist daraus diese Schrift: „Lebendige Pfarre“. Sie
ist eine Frucht gemeinsamer Arbeit – mit allen Vor- und Nachteilen, die
Gemeinschaftsproduktionen anhaften. Dem einen werden Dinge fehlen, dem
anderen manches als überflüssig erscheinen. So ist das eben. Diese Schrift hat nicht den Charakter einer Verordnung, sie ist aber
eine vom Bischof approbierte Orientierungshilfe. Es ist nicht ihre
Absicht, Unmögliches einzufordern und dadurch zu entmutigen, wohl aber will
sie zu selbstkritischen Fragen anregen und vor allem zu mehr Lebendigkeit
ermutigen – Schritt für Schritt. Bitte, lest diese Orientierungshilfe einmal in Ruhe und wohlwollend
durch. Lest auch das Wort des Bischofs und die Einführung. Wir sind überzeugt, dass damit eine brauchbare pastorale Hilfe
entstanden ist: -
für die Pfarren selbst, wenn
sie z. B. in einer PGR-Klausur die Seelsorge neu überdenken und eine
Pastoralplanung für die Zukunft machen, -
für
Pfarrverbände und Regionen, die ja die pfarrliche Seelsorge subsidiär
stärken und ergänzen sollen, -
für
diözesane Stellen, die sich in ihrer Arbeit noch stärker daran
orientieren sollen, was Pfarren brauchen. 6. Seelsorge: Ehrenamt und Freiwilligenarbeit „Der Reichtum der Kirche sind ihre Menschen“. – Besonders deutlich
zeigt sich das im Engagement der vielen Ehramtlichen und Freiwilligen in der
Kirche. Freilich bahnt sich auch hier ein Kulturwandel an, den wir nicht
übersehen dürfen. Menschen sind, wie Studien und Erfahrung bestätigen,
durchaus bereit, freiwillig ohne finanziellen Nutzen ihre Zeit und ihre Kraft
„in den Dienst der guten Sache“ zu stellen. Aber für ihren Einsatz brauchen
und erwarten sie oft andere Voraussetzungen und Bedingungen als ihre Eltern
und Großeltern. Warten wir nicht, bis die Todesanzeigen der letzten Ehrenamtlichen alten Stils gedruckt
sind, sondern machen wir uns kundig, wie Ehrenamt und Freiwilligenarbeit heute gelingen kann,
wie Getaufte ihre Verantwortung für Kirche und Gesellschaft heute entdecken und leben können. Das Netz der Seelsorge wird künftig in noch größerem Ausmaß als bisher
von engagierten Freiwilligen und Ehrenamtlichen getragen werden. Eine gute
Arbeitshilfe dazu ist das Heft „Miteinander Kirche sein“, das das Pastoralamt heuer neu überarbeitet herausgegeben
hat. Besonderer Dank gebührt hier vier Frauen: Barbara Krotil und Stefanie
Schwarzl-Ranz (Pastoralamt), Ute Paulweber
(Katholische Aktion) und Carmen Brugger (Caritas). Zum Heft gibt es
auch den gleichnamigen Flyer mit zehn wichtigen Grundsätzen. Ein besonderer Fall von Ehrenamt ist der Pfarrgemeinderat. 2017 stehen Neuwahlen an. Für viele Pfarren ist das trotz
verschiedener Wahlmodelle eine gewaltige Herausforderung. Wird es genügend
Kandidaten und Kandidatinnen geben? Schaffen wir einen Vorgang, der den Namen
Wahl verdient? Es gibt die Sorge, dass dieses eigentlich noch junge Element der
Synodalität wieder verloren gehen könnte. (Sehr viele solche
synodale Elemente haben wir im Vergleich zu den Orthodoxen und
Evangelischen in der katholischen Kirche ja nicht.) Ich denke, wir müssen auch in puncto PGR unsere Vorstellungen
gründlich überdenken: Wofür ist ein PGR eigentlich da? Was ist die Aufgabe
eines PGR-Mitgliedes und was nicht? Was darf mit Recht von ihm erwartet
werden und was nicht? Der ursprüngliche Sinn des PGR war sicher nicht, einen zusätzlichen
Arbeitskreis zu haben. Vielmehr sollte – negativ ausgedrückt – verhindert
werden, dass Pfarrer und andere Hauptamtliche einfach selbstherrlich den Kurs
der Seelsorge festlegen. Positiv ausgedrückt: Sie sollen ehrlich und aufrichtig
zuhören und sich beraten lassen. Erste Aufgabe des PGR ist es, darüber nachzudenken: Wozu gibt es unsere Pfarre? Was hat Gott mit ihr vor? Wie kann
Kirche gerade hier gelebt werden? Welche Schwerpunkte wollen wir in der
Seelsorge setzen? Worauf verzichten wir in Zukunft? - Darüber sollen Menschen
verschiedenen Alters mit verschiedenen Lebenserfahrungen gemeinsam
nachdenken. Die Buntheit der Menschen und ihrer Begabungen, die Buntheit
ihrer Glaubens- und Lebensgeschichten ist dabei als Reichtum zu schätzen. Querulanten und Egomanen sind im PGR nicht tragbar, aber kritische
Stimmen darf es schon geben. Der PGR muss nicht mit dem Fanclub des Pfarrers
identisch sein. Mehr und Genaueres zur PGR-Wahl wird im Anschluss an meine
Ausführungen Stefanie Schwarzl-Ranz, unsere Referentin für Kirche und
Gemeinschaft, sagen. Zu den Themen Ehrenamt/Freiwilligenarbeit und PGR findet ihr natürlich
wertvolle Hilfen im diözesanen Intranet! 7. Seelsorge: Orientierung am Wort Gottes Was wäre unser pastorales Tun wert, wenn wir nicht auf Gott hören? Woher wissen wir, dass Gott die Menschen liebt, dass sie sein
Schatz und damit auch unser Reichtum sind? Ich bin dankbar, dass so viele in unserer Diözese das Jahr der Barmherzigkeit mitgetragen
haben und noch mittragen. Es ist erstaunlich. Bitte beachtet weiterhin unsere
Anregungen dazu in Internet und Intranet! Aber woher wissen wir, dass Gott ein Mitleidender und Barmherziger
ist? Woher wissen wir, dass es Gott wohlgefälliger ist, Feinden zu verzeihen,
als sie in die Luft zu sprengen? Woher wissen wir, dass Gott in Jesus unser
Mitmensch und Schicksalsgenosse und so unser Retter geworden ist? Wir Profis sagen: aus der Offenbarung. Wir vertrauen dem Zeugnis der
Heiligen Schrift, wie sie in der Gemeinschaft der Kirche durch 2000 Jahre
verlässlich überliefert, gedeutet und gelebt worden ist. Aber wir wissen
auch, dass sich viele Menschen, darunter auch brave Gläubige, mit der Bibel schwer tun. Dass manche Lesungen, manche biblischen
Aussagen und Bilder auf sie fremd, ja oft geradezu abstoßend wirken. Das darf
uns nicht egal sein. Darum wollen wir – das Team im Pastoralamt – in den nächsten Jahren
unser Bemühen verstärken, das Verständnis für die Heilige Schrift zu fördern:
in unseren Veröffentlichungen und Behelfen, aber auch in unseren Kursen und
Fortbildungsangeboten, besonders für ehrenamtliche Mitarbeiter und
Mitarbeiterinnen, die keine oder wenig biblische Vorbildung haben. Wir haben
dabei die Leiterinnen und Leiter von Wortgottesfeiern im Auge, aber auch
Lektoren und Lektorinnen und andere in Liturgie und Verkündigung engagierte
Personen. Wir wissen, dass das mühsame Kleinarbeit ist, die nie fertig sein
wird. Wir bitten euch alle, diese Mühe mitzutragen. Solides biblisches Wissen wird gerade auch in der
Auseinandersetzung mit anderen Religionen zunehmend wichtig werden. Seid
als Bibelkundige für alle, aber gerade auch für eure engsten Mitarbeiter und
Mitarbeiterinnen, geduldige Wegbegleiter zur Hl. Schrift, zum Wort Gottes
hin. Nehmt in diesem Sinn bitte auch die Homilie sehr ernst. Die Heilige
Schrift soll wirklich zum Wort des Lebens werden. Gerade das kommende Jahr 2017, in dem – durchaus auch ökumenisch – an
die Reformation Martin Luthers vor 500 Jahren gedacht wird, ist ein guter
Anlass, der Heiligen Schrift, die für alle Christinnen und Christen von
fundamentaler Bedeutung ist, vertiefte Aufmerksamkeit zu schenken. Letztlich
geht es nicht um ein interessantes literarisches Werk, sondern um die
Begegnung mit dem lebendigen Gott. Denn: "Wer die Schrift kennt, kennt
Gottes Herz." (Papst Gregor d. Große, gest. 604) Worte zum Schluss „Der Reichtum der Kirche sind ihre Menschen“. Ich möchte meine Impulse
zu diesem Thema mit einem Zitat des 1996 verstorbenen deutschen
Psychoanalytikers Albert Görres ausklingen lassen. Er war ein
kritischer, aber überzeugter katholischer Christ mit Humor. Er schrieb: "Die Kirche ist, wie die Sonne, für alle da. Für Gerechte und Ungerechte,
Sympathen und Unsympathen, Dumme und Gescheite, für Sentimentale ebenso wie
Unterkühlte, für Neurotiker, Psychopathen, Sonderlinge, Heuchler und für
solche wie Nathanael, 'an denen kein Falsch ist', für Feiglinge und Helden,
Großherzige und Kleinliche. Auch für kopf- und herzlose Bürokraten, für
Fanatiker und für eine Minderheit von gesunden, ausgeglichenen, reifen,
seelisch und geistig begabten, liebesfähigen Naturen. Diese lange Liste ist
nötig, um klarzumachen, was man eigentlich von einer Kirche erwarten kann,
die aus allen Menschensorten zusammengerufen ist und deren Führungspersonal
auch aus diesem bunten Vorrat stammt." (A. Görres - W. Kasper (Hg.),
Tiefenpsychologische Deutung des Glaubens? QD 113, Freiburg-Basel-Wien 1988,
134) „Seid barmherzig, wie euer Vater im Himmel barmherzig ist!“ (Lk 6,36) Zurück zur Startseite von Karl Veitschegger Zurück zum Menü „Artikel, Referate, Skizzen ..." |